Von „Stromsystemen“
und „Wasserscheiden“
Von den vier schiffreichen Wassern,
die in die vier Himmelsrichtungen abfließen, wurde
seit dem 15. Jahrhundert von den alten Autoren ausgiebig
berichtet. Auch wusste man damals schon, zu welchen
Stromsystemen die Fichtelgebirgswasser gehören:
Bereits Johann Wolfgang von Goethe,
der wohl prominenteste Besucher des Fichtelgebirges,
schrieb in „Dichtung und Wahrheit“ wie bedeutend es
sei, sich auf Reisen nach dem Lauf der Wasser zu erkundigen,
ja bei dem kleinsten Bache zu fragen, wohin er eigentlich
laufe. Dadurch erlange man eine Übersicht über
die Flussregion, einen Begriff von den landschaftlichen
Gegebenheiten und deren Beziehungen zueinander. Goethes
Ausführungen gelten gerade auch für das Fichtelgebirge
mit seinem engmaschigen Gewässergeäst.
Wer im Fichtelgebirge wandert, kann
mehrmals am Tage, ohne dass er es merkt, von einem in
ein anderes Stromgebiet überwechseln. Beispiel:
Bei einer Wanderung von der Vordorfermühle (Ortsteil
der Gemeinde Tröstau) zum Seehaus (FGV-Unterkunftshaus)
und weiter zum Fichtelsee kommt man vom Stromgebiet
der Elbe zum Stromgebiet des Rheins und in das der Donau.
Durch das Fichtelgebirge verläuft
auch die Europäische Hauptwasserscheide von Südwesten
nach Nordosten, von Spanien kommend bis hin zu den weiten
Ebenen Osteuropas. Der eine Erdteil sendet dabei seine
Flüsse ins Mittelmeer mit Schwarzem Meer, die andere
Hälfte in den Atlantischen Ozean mit Nord- und
Ostsee. Wo verläuft nun diese kontinentaleuropäische
Wasserscheide im Fichtelgebirge? Hier der „Grobverlauf“
der Route unter Berücksichtigung der künstlichen
Bachumleitungen: Kirchenlaibach/Bahnhof – Fenkensee
– Langengefäll – Muckenreuth – Kreuzstein – Wendelin
– Hüttenberg – Glasstraße – Bocksgraben –
Fichtelnaabquelle – Fichtelgebirgsstraße/B303
– Seehügel-Südosthang – Platte – Silberhaus
– Hohe Matze – Wurmlohpass – Große Kösseine
– Pfalzbrunnen – Heuberg – Leimgruben – Harlachberg
– Knockfelsen – Platte – Weißenstein – Plößberg
– Herzogöd – Kleiner Teichelberg – Triebendorf
bei Wiesau.
Das Fichtelgebirge ist der nördlichste
Punkt der Europäischen Hauptwasserscheide in der
Bundesrepublik Deutschland, das Fichtelgebirge ist aber
auch der östlichste Punkt des Mainsystems. Und
dieser nördlichste und östlichste Punkt liegt
in der Nähe des FGV-Unterkunftshaus Seehaus!
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Hinweisschild auf die Europäische
Hauptwasserscheide im Fichtelgebirge
an der Fichtelgebirgsstraße B 303/E48
beim Parkplatz Seehaus. |
Der „Wasserklau“
ging um!
Manches Gewässernetz im Fichtelgebirge
wurde von Menschenhand stark verändert, wobei immer
wirtschaftliche Hintergründe eine Rolle spielten.
Um- und Ableitungen wurden angelegt für Mühlenbetriebe
oder Hammerwerke oder auch für Zwecke der Wiesenwässerung.
Das dabei auch eine Überleitung in ein anderes
Stromgebiet und dadurch zu einem anderen Meer erfolgte,
war unseren Vorfahren zwar bekannt, spielte aber nur
eine untergeordnete Rolle. Die meisten Bachumleitungen
finden wir Ende des 17. Jahrhunderts im Gebiet von Fichtelberg-Neubau
wegen der dort aufblühenden Eisenverarbeitung in
Hütten- und Hammerwerken. Der Seehausbach (Zinnbach),
der bei unserem FGV-Unterkunftshaus Seehaus entspringt,
wurde im unteren Teil der „Saugasse“ in Richtung Fichtelsee
abgeleitet, er floss ursprünglich über den
Paschenbach zum Weißen Main. Mehrere Rinnsale
kommen vom Südhang des Ochsenkopfes herab und bilden
Quellbäche der Warmen Steinach, die über den
Main in die Nordsee mündet. Doch plötzlich
zog man quer über den Hang eine Kunstgraben,
Bocksgraben genannt, und leitete das Wasser zum Mühlweiher
nach Fichtelberg-Neubau. Wasser, das seit Menschengedenken
in die Nordsee floss, fließt nun ins Schwarze
Meer!
Am 23. Oktober 1999 wurde das „Spektakel“
wiederholt, wenn auch an einem anderen Ort und aus einem
anderen Anlass: Die Gemeinde Nagel feierte ihr 800.
Ortsjubiläum. 31 Feuerwehren legten eine 6 km lange
Super-Schlauchleitung von der Rösla in Tröstau
über den Wurmlohpasse (Wasserscheide!) zur Gemeinde
Nagel an den Nageler See und pumpten dann das Wasser
über die Anhöhe. Damit entzogen die Feuerwehrleute
der Nordsee das Rösla-Wasser und leiteten es bewusst
über Gregnitz, Naab und Donau dem Schwarzen Meer
zu.
Am Wurmloh-Pass: Rösla-Wasser
fließt in Schlauchleitungen der Feuerwehr
in Richtung Schwarzes Meer. |