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Die Vogelbeere - Charakterbaum des Fichtelgebirges

Karen Görner

Botanik und Kulturgeschichte

I. Vorbemerkung

Der ursprüngliche Baumbewuchs der Mittelgebirge, so auch im Fichtelgebirge, war ein Mischwald. Der Bergmischwald setzt sich aus zahlreichen Baumarten zusammen: Bergahorn, Rotbuche, Hainbuche, Eiche, Esche, Tanne, Kiefer und in höheren Lagen Fichte und Vogelbeere.
Lange Zeit unterschätzt, hat die Vogelbeere in den letzten Jahren stark an waldbaulicher, ökologischer und ökonomischer Bedeutung gewonnen. So war sie auch Baum des Jahres 1997.

II. Zum Namen

Der Name Vogelbeere oder Vogelbeerbaum ist alt und weit verbreitet. Tatsächlich sind die roten Beeren für zahlreiche Vögel wertvolle Nahrung. Durch das Fressen der Beeren und Samen tragen sie auch zur Verbreitung des Baumes bei. Mancherorts heißt der Baum nach bestimmten Vogelarten, die seine Beeren besonders schätzen, auch Drosselbeere, Krammetsbeerbaum (Krammet = Drossel), Kreienbeer (Kreie = Krähe) oder aber Gimpelbeere.

Die Beeren wurden früher beim Vogelfang als Köder eingesetzt. Daher kommt der wissenschaftliche Name der Baumart aucuparia (au = avis = der Vogel, cuparia = capere = fangen).

Die Bezeichnung Eberesche lässt sich über die Vorsilbe "Eber"-, in der die gleiche Wortwurzel wie etwa in der Vorsilbe des Wortes "Aber"glaube stecken könnte, als "Falsche Esche" oder "Schein-Esche" deuten. So lässt sich auch der Name Aberesche erklären. Das Wort "Esche" im Namen verweist auf die Ähnlichkeit des Blattes mit dem der Esche - das machen auch die Bezeichnungen Wielesche und Moosesche deutlich.

Eine andere Erklärung der Vorsilbe "Eber"- geht auf die Herleitung aus dem keltischen Wort für Eibe (eburos) zurück. Der Name Eberesche könnte demnach "Eiben-Esche" bedeuten und eine Ähnlichkeit mit beiden Bäumen bezeichen. Darauf weist auch der Name Eibschen hin. Die Eibe ist ein Nadelbaum, der gleichfalls rote Beeren trägt.

Der unangenehme Geruch der Blüten hat dem Baum auch den Namen Stinkesche eingetragen.

Der Eberesche wurden früher magische Zauber abwehrende Kräfte zugesprochen. In der Walpurgisnacht oder am 1. Mai wurde das Vieh unter Ausrufung von Segenssprüchen mit Ebereschenzweigen "bequitscht" (gepeitscht). Daher mag die Bezeichnung Quitschbeere stammen. Andere Varianten sind die Bezeichnungen Queckenboom, Quitsbeere, Quetschen und Queckbeere.
Die Benennung Mostbeere geht auf die Verwendung der Beeren zur Mostgewinnung zurück.

Weitere Namen im deutschsprachigen Raum sind noch: Birmsch, Burmsch, Güuetsch und Gürgütsch. Die Bezeichnung Kronawetterbeere deutet auf einen Vergleich mit dem Wacholder (= Kronawitt-Staude) hin.

III. Zur Botanik

Einordnung

Die Gemeine Eberesche trägt den botanischen Namen Sorbus aucuparia.
Die Baumart gehört zur Gattung Sorbus, zur Unterfamilie der Apfelartigen (Maloideae) und zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Die Baumart hat zahlreiche Unterarten.

Blätter

Die Blätter sind zwischen 10 und 20 Zentimeter lang. Sie sind unpaarig gefiedert und stehen wechselständig an den Zweigen. Ein Blatt besitzt meist 9 bis 19 Blättchen, Fiedern. Diese sind länglich-lanzettlich, bis 6 Zentimeter lang und kurz zugespitzt. Ihr Rand ist - nicht immer vollständig - scharf gesägt. Die Fiedern sind an der Oberseite sattgrün und kahl, an der Unterseite graugrün und zumindest in der Jugend behaart. Im Herbst färben sich die Blätter gelb, auf trockenen Standorten rot.

Blüten

Die Vogelbeere blüht im Mai / Juni. Die weiß-gelben Blüten sind nur etwa 1 Zentimeter breit. Sie stehen in Doldenrispen. Die Einzelblüte besitzt 5 Blütenblätter, 3 Griffel und 20 Staubblätter. Der unangenehme Geruch der Blüten rührt von dem enthaltenen Methylamin. Die Bestäubung erfolgt durch Insekten.

Früchte

Die Beeren der Eberesche sind Scheinfrüchte. Die eigentlichen Früchte sind die Samen. Die Beeren reifen zwischen August und Oktober. Sie werden zunächst orangerot, um dann bei voller Reife ein leuchtendes Rot zu tragen. Die Beeren sind erbsengroß - zwischen 4 und 10 Millimeter dick.
Stamm und Rinde
Der Stamm ist rund und schlank. Die glatte Rinde junger Bäume ist bräunlich-grau bis silbergrau. Im Alter wird die Rinde zur rissigen schwarzen Borke.

Wurzeln

Die Eberesche hat ein Senkerwurzelsystem und kann relativ flach wurzeln. Die Wurzeln besitzen, wie alle Sorbus-Arten, eine ektotrophe Mykorrhiza, ein zwischen den Wurzelzellen befindliches Pilzgeflecht, was die Nahrungsaufnahme erleichtert. In dieser symbiotischen Beziehung liefert der Pilz dem Baum Nährstoffe und wird umgekehrt von der Vogelbeere mit Kohlehydraten versorgt.
Wachstum und Alter
Die Vogelbeere wächst in der Jugend rasch. Sie wird 3 bis 5 Meter, manchmal sogar bis zu 25 Meter hoch. Erdstammstücke können einen Durchmesser bis zu 60 Zentimeter erreichen. Im Flachland wird die Eberesche zwischen 60 und 80 Jahre alt. Im Gebirge beträgt das Höchstalter etwa 150 Jahre. Wird der Baum gefällt, bilden sich reichlich Stockausschläge.

IV. Lebensräume und Verbreitung

Lebensräume

Die Eberesche ist eine anspruchslose Licht- bis Halbschattenbaumart. Sie findet von den Tieflagen bis zur subalpinen Waldgrenze Lebensräume. Die Vogelbeere ist in allen Höhenlagen frosthart sowie widerstandsfähig gegen Wind und Schnee. Der Baum stellt keine großen Bodenansprüche, bevorzugt aber humusreiche Böden. Die Eberesche wächst noch auf nährstoffarmen, bodensauren Standorten, auf Hochmooren und teilweise auch auf Kalkböden. Sie kommt sogar auf reinem Humus vor. Am besten gedeiht sie auf gut feuchten Böden im Gebirge. Dabei meidet sie Staunässe und zieht lockere, gut durchlüftete Böden vor.

Die Vogelbeere ist eine Vorwaldart, eine Pionierbaumart, die mit als erste Kahlflächen und lichte Standorte besiedelt. Sie ist häufig gemeinsam mit Weide, Birke und verschiedenen Straucharten anzutreffen. Nach Sturmwürfen und Kahlschlägen stellt sie sich sehr schnell ein, da die Samen im Boden liegend offensichtlich längere Zeit - bis zu 5 Jahre lang - keimfähig bleiben.
Die Vogelbeere kommt in Schlusswaldgesellschaften höherer Lagen vor und ist hier mit Traubeneichen, Kiefern und Stieleichen, mit Grünerlen und Bergkiefern oder mit Lärchen und Zirben anzutreffen. In Buchen- und Eichen-Hainbuchenwäldern geringerer Höhenlagen kommt sie nur in Verlichtungen und an Waldrändern vor.

Verbreitung

Die Eberesche gedeiht in sehr unterschiedlichen Klimagebieten. Sie ist in fast ganz Europa verbreitet. Man findet sie auf Island, am Nordkap und auf Sizilien. Die Vogelbeere ist der am weitesten nördlich anzutreffende Laubbaum. Teilweise bildet der Baum neben anderen sogar die Baumgrenze.

In den Alpen steigt die Vogelbeere bis auf eine Höhe von 2000 bis 2400 Metern. In den Mittelgebirgen kommt sie noch in Höhenlagen von 1100 bis 1450 Metern vor. Möglich macht das eine Besonderheit: Die jungen Zweige enthalten unter der glatten Rinde Chlorophyll. So ist der Baum bei der Photosynthese nicht nur auf seine Blätter angewiesen und kann bereits vor Laubausbruch assimilieren.

V. Unterarten und Verwandte

Die Eberesche mit ihren Unterarten ist, wie ihre Verwandten der Gattung Sorbus auch, ein Obstbaum. Mit der Intensivierung des weltweiten Handels und der zunehmenden Bedeutung südländischer Früchte hat auch die Vogelbeere heute als Nutzobst an Bedeutung verloren.

Unterarten der Vogelbeere

Die Unterart Sorbus aucuparia ‚aucuparia' ist vom Flachland bis in Mittelgebirgslagen hinein verbreitet. Sie ist die in ganz Deutschland am weitesten verbreitete und am häufigsten vorkommende Unterart.

Die Unterart Sorbus aucuparia ‚glabrata' kommt in hochmontanen Mittel- und Hochgebirgslagen bis zur Waldgrenze vor. Häufig ist sie auch strauchförmig anzutreffen. Diese Unterart ist auch im Fichtelgebirge heimisch, allerdings kommt sie hier sehr selten vor. Ihre Knospen sind oft klebrig, die Beeren etwas eiförmig.

Die Unterart Essbare oder Edle Eberesche (Sorbus aucuparia ‚edulis') stammt aus dem Altvatergebirge in Tschechien. Sie heißt auch Süße (‚dulcis') oder Mährische  (‚moravica') Eberesche. Um 1810 wurde sie bei Spornhau in Mähren entdeckt. Sie ist sehr anspruchslos und widerstandsfähig. Ihre Früchte sind etwas größer als die der Gemeinen Eberesche und nahzu frei von Bitterstoffen. Sie eigenen sich gut zur
Verwertung.

Weitere Auslesen und Züchtungen spielen vor allem als Gartenformen eine Rolle: - ‚asplenifolia': Die Blättchen sind grob eingeschnitten. - ‚beissneri': 1899 im Böhmischen Erzgebirge entdeckt, Früchte nicht bitter; Blättchen teilweise fiederteilig. - ‚concentra': Die Beeren enthalten, verglichen mit anderen Ebereschen-Beeren, die bis zu achtfache Menge an Vitamin C. - ‚dirkenii': 1880 in Holland gezüchtet; Blätter zuerst gelb, dann grün. - ‚fastigiata': Säulen-Eberesche; Wuchs schmal, kegelförmig; dicke Triebe, große leuchtend rote Beeren. - ‚integerrima': 1832 auf der Insel Bornholm gefunden; Fiederblättchen fast ganzrandig. - ‚nana': Zwergform, strauchig; große Beeren. - ‚pendula': Zweige hängen, unregelmäßig gebogen. - ‚pendula variegata': Hängeform, gelbbunte Blätter. - ‚rosina': Der Vitamin-C-Gehalt der Beeren beträgt das Zwei- bis Dreifache anderer Ebereschen-Beeren. - ‚rossica': Ende des 19. Jh. In Russland entdeckt; Beeren bis 15 mm dick, sauer. - ‚rossica major': Beeren über 15 mm

dick, sauer. - ‚sheerwater seeding': orangerote Beeren. - ‚variegata': Schon vor 1821 bekannt; Blätter gelbbunt. - ‚xanthocarpa': Herkunft unbekannt; Beeren orangegelb, von Vögeln meist gemieden.
Verwandte: andere Sorbus-Arten

Die Mehlbeere (Sorbus aria) kommt als kleiner Baum oder baumartiger Strauch an sonnigen bis halbschattigen Standorten auf Kalkböden vor. Man findet sie in Eichen- und Buchenwäldern, im Trockengebüsch, auf Steinriegeln und an Felsen. Die Beeren sind kugelig, orange bis rot gefärbt und mehlig. Sie sind roh genießbar und wurden früher zu Mus verarbeitet, in Brot eingebacken und gedörrt.
In der Fränkischen Schweiz, in der Nördlichen Frankenalb, finden sich drei endemische Mehlbeer-Arten: Die Fränkische Mehlbeere (Sorbus franconica), die Hersbrucker Mehlbeere (Sorbus pseudothuringiaca) und die Gößweinsteiner Mehlbeere (Sorbus pulchra).
Der Schwedische Mehlbeere oder Oxelbeere (Sorbus intermedia) ist in unserer Region nicht heimisch und kommt in der Landschaft nur angepflanzt vor.

Nahe Verwandte der Eberesche sind auch die Zwergmehlbeere (Sorbus chamaemespilus) und die Elsbeere (Sorbus torminalis).
Der Speierling (Sorbus domestica) ist ein bis 20 Meter hoher Baum mit rauher Borke. Der Baum ist seit alters in Kultur, da die Früchte zur Mostgewinnung Verwendung finden. Die Unterart ‚pomifera' besitzt apfelförmige, die Varietät ‚pyriformis' birnenförmige Früchte.
VI. Kulturgeschichte / Verwendung
Die Eberesche findet schon sehr lange als Nahrungsmittel, in der Volksmedizin und als Holzlieferant Verwendung. Bereits in vorgeschichtlicher Zeit sprach man der Vogelbeere magische Kräfte zu. Der hohe Stellenwert der Vogelbeere kommt in ihrer Bedeutung im Volksglauben zum Ausdruck. Karl der Große förderte im 9. Jahrhundert die Anpflanzung von Ebereschen. Zu dieser Zeit galt die Vogelbeere als Heilmittel gegen Lungenkrankheiten, Verstopfung und Skorbut. Die Vogelbeere wurde häufig auch bei der Vogeljagd eingesetzt.

Die Vogelbeere im Volksglauben

Im Volksglauben gilt die Eberesche als Symbol für Fruchtbarkeit, Kindersegen, Gesundheit, Freude, Ausdauer, Durchsetzungsvermögen, Kraftübertragung und Schönheit.

In einem Grab aus der Bronzezeit fand man neben Tierknochen Reste eines Vogelbeerzweiges, dem damals vermutlich Zauber abwehrende Kräfte zugesprochen wurden.

Im keltischen Baumkreis ist die Eberesche das Zeichen der zwischen dem 1. und 10. April oder dem 4. und 13. Oktober Geborenen. Sie steht dabei für Feingefühl und Gerechtigkeitsinn.
Die keltischen Druiden glaubten, die Kraft der Eberesche könne Fluch und Unglück bannen und umpflanzten ihre Opfersteine und Kultstätten mit Vogelbeerbäumen.

Bei den Nordgermanen wurde die Vogelbeere dem Gott Thor oder Donnar geweiht. Thor war bei der Jagd in einen reißenden Fluss gestürzt und konnte sich nur retten, weil eine Eberesche ihm ihre Zweige reichte, an denen er sich festhalten konnte. Daher heißt der Baum in Norwegen auch Thorsbjörg (Thors Bergung). Aus dieser Geschichte ist die Vorstellung vom Glauben an die Kräfte der Vogelbeere erklärbar: Der Fluss entspricht dem Blutfluss, der durch den Saft des Baumes gestillt wird, die roten Beeren Feuer und Blitz, die gefiederten Blätter den Wolken. So schützen die Beeren das Haus vor Blitzschlag, der Baum wehrt böse Geister ab und die Kronspitzen gelten als Kohlgericht der Hexen zu Mitwinter.

Auch im angelsächsichen Raum hatte die Vogelbeere mythologischen Bedeutung. Der Baum wurde dort auch The Witch (Hexe) genannt, da die Hexen-Zauberstäbe zum Aufspüren von Erzen aus Ebereschenzweigen geschnitten waren.
In Estland und Finnland sprach man die Vogelbeere der Gottheit Pihljatar zu. Im Christentum findet sich der Baum als Attribut von Maria und dem Heiligen Lukas.

Bis in die neueste Zeit lebte der Glaube an die schützende Kraft der Eberesche weiter: Am Abend der Walpurgisnacht besteckte man die Stalltüren mancherorts mit Vogelbeerzweigen, um böse Geister abzuwehren. Oder das Vieh wurde mit den Zweigen "bequitscht", leicht geschlagen. Im Süden Böhmens wurden Beeren tragende Zweige auf die Dächer und an die Fenster gesteckt, um die Häuser vor Blitzschlag zu bewahren.

Die Vogelbeere als Heilmittel

Die Beeren der Eberesche enthalten reichlich Vitamine - insbesondere Vitamin C, Ascorbinsäure -; Zuckeralkohole und Zucker: Saccharose, Fructose, Glucose, Sorbit; organische Säuren; Gerbstoffe; Pektin; Bitterstoffe sowie Glycoside und Parasorbinsäure; etwas ätherisches Öl, verschiedene Carotinarten.

Aufgrund der Parasorbinsäure gelten die rohen Beeren als leicht giftig. Beim Kochen und Trocknen aber wird diese Säure weitgehend zerstört. Beim Verzehr sehr großer Mengen roher Beeren kann es zu Reizungen der Schleimhäute kommen, was rauschartige Zustände, Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall hervorrufen kann. Ganz selten wurden weite Pupillen und scharlachartige Hautausschläge beobachtet.
Um die Droge Sorbi aucupariae fructus zu erhalten, werden die Beeren von August bis Oktober reif, leuchtend orangerot geerntet und als Ganzdroge getrocknet. Erhältlich ist die Ganzdroge und die zerkleinerte Schnittdroge.

Vogelbeeren regen den gesamten Stoffwechsel an und entwässern. Obwohl die Beeren eine Harn treibende, abführende, Appetit anregende und entzündungshemmende Wirkung haben, kann man sie nicht als eigentliches Heilmittel bezeichnen.

In der Volksmedizin finden Vogelbeeren dennoch Verwendung - und zwar das gekochte Beerenmus sowie die getrockneten Beeren und der daraus bereitete Tee - bei:
- Appetitlosigkeit, Erschöpfung; - Magen-Darm-Erkrankungen, Verdauungsschwäche, Durchfall und Verstopfung, verdorbenem Magen, vorbeugend und nachbehandelnd bei Darm-Pilz-Erkrankungen; - Harnstoffwechselstörungen, Blasenleiden, Erkrankungen der Niere; - Rheuma, Gicht; - Husten, Heiserkeit; - Hämorrhoiden; - Hauterkrankungen.

Frisch gepresster Saft oder mit Zucker aufgesogener Saft kann löffelweise bei Fieber in Verbindung mit Lungen- und Rippenfellentzündung gegeben werden.

In der Tierheilkunde gelten Vogelbeeren als Mittel gegen Ziegen- und Schweinerotlauf.

Die Vogelbeere als Nahrungsmittel

Vogelbeeren sollten wegen ihrer - wenn auch äußerst geringen - Giftigkeit nicht roh, sondern gekocht oder getrocknet verzehrt werden. Die meisten wild vorkommenden Vogelbeeren schmecken herb und bitter. Daher sollten sie vor Verwendung entbittert werden - durch Einlegen in Essigwasser oder durch Frosten. Als Nahrungsmittel eignen sich am Besten die Beeren der Süßen oder Mährischen Eberesche.
Aus den Beeren kann man im Entsafter Saft bereiten. Gerne wird auch Kompott oder Marmelade und Gelee gegessen. Dafür kann man die Beeren gut mit Äpfeln, Birnen oder Quitten mischen. Teilweise fanden getrocknete und geröstete Vogelbeeren als Kaffee-Ersatz Verwendung. Aus den getrockneten Beeren wurde früher auch der Zuckeraustauschstoff Sorbit gewonnen. Rohe Vogelbeeren schmecken kandiert sehr gut. Man sollte aber nicht sehr viele auf einmal davon verzehren. Aus den Beeren lässt sich auch Kräuterbier brauen, Schnaps brennen und Essig bereiten.

Vogelbeeren sind auch ein wichtiger Bestandteil von Kräuterlikören und Magenbittern (Sechsämtertropfen). So wurden im Landkreis Wunsiedel für den Magenbitter Sechsämtertropfen von 1974 bis 1996 jährlich zwischen 10 und 20 Tonnen Vogelbeeren zu sammeln beantragt. Zu Fuß und per Fahrrad, teilweise mit Leitern ausgestattet, zogen viele Leute durch die Fluren im Fichtelgebirge um mit der Ernte von Vogelbeeren ein Zubrot zu verdienen. Pro Zentner erhielt man etwa 25 Mark. Der Ertrag war von Jahr zu Jahr unterschiedlich und lag zwischen knapp einer Tonne und fast 40 Tonnen. In trockenen Jahren oder wenn der Spanner sich breit gemacht hatte, fiel der Ertrag noch geringer aus oder es gab gar keine Beeren.

Das Holz der Eberesche

Die Eberesche ist ein Laubholz mit breitem, hellem Splintholz und hellbraunem bis rotbraunem Kernholz. Das Kernholz besitzt eine dekorative Fladerzeichnung.

Man findet kaum stärkere Bäume mit einem Durchmesser des Stammes über 30 Zentimeter. Ein Grund dafür ist, dass ältere Bäume mit entsprechenden Stammstärken vielfach kernfaul sind.

Vogelbeerholz ist nur mäßig schwindend, zäh, recht biegsam, elastisch und fest. Es lässt sich gut bearbeiten.

Vogelbeerholz war früher als Wagnerholz sehr geschätzt, aber auch als Drechsler-, Schnitz-, und Tischlerholz begehrt. Büchsenmacher verwendeten gerne Vogelbeere. Fässer, vor allem für Obstbranntweine, stellte man bevorzugt aus diesem Holz her. Auch bei der Herstellung von Weberschiffchen, Holzrädern, Radkämmen, Modellen und Formen, Löffeln, Tellern und Holzschrauben war Eberesche sehr gefragt. Vogelbeere eignet sich hervorragend zur Fertigung von Werkzeugstielen.

Heute bietet sich das schön gemaserte Vogelbeerholz als Massivholz und Furnierholz für Möbel und Innenausbau an.

VII. Bedeutung für die Umwelt

Im Ökosystem Wald hat die Vogelbeere als robuste Pionierbaumart und als Nahrungsquelle für Tiere und Pilze eine große Bedeutung. In ihrer Funktion als Nahrungsbaum trägt die Eberesche zur Lebensvielfalt in den Wäldern bei.

Vogelbeere und Tierwelt

Vogelbeeren werden von 63 Vogelarten verzehrt. Damit ist die Eberesche der von den meisten Vögeln genutzte Baum. Bei uns ernähren sich überwiegend Amsel, Singdrossel, Misteldrossel, Rotkehlchen, Star, Mönchsgrasmücke, Kleiber, Gimpel, Seidenschwanz und Rotdrossel von Vogelbeeren. Mit ihren Ausscheidungen wird der Samen verbreitet. Finkenvögel und Eichhörnchen schälen die Samen heraus.
Die Beeren werden auch von Nagetieren wie Siebenschläfer, Haselmaus, Rötel-, Erd-, Gelbhals- und Feldmaus gefressen.

Nur wenige Insekten leben von der Vogelbeere. So gibt es nur geringen Raupenfraß durch den Kleinen Frostspanner und den Weißdornspinner. Häufiger finden sich an Blättern und Trieben der Weißdornkäfer und der Mittlere Schwarze Rüsselkäfer. Teilweise treten auch Deckelschildläuse auf.

Auch für viele Säugetiere ist die Vogelbeere als Nahrung wichtig. Knospen, Blätter und Triebe werden von den Schalenwildarten gerne gefressen. Rot-, Reh- und Schwarzwild nehmen ebenfalls herab gefallene Vogelbeeren als Nahrung auf. Rotfuchs und Dachs haben eine Vorliebe für Vogelbeeren.

Pilze an der Vogelbeere

Der Vogelbeerbaum wird vom Anfang bis zum Ende seines Lebens von Pilzen begleitet.
Die Wurzel der Eberesche ist von einem Pilzgeflecht mit mikroskopisch kleinen Pilzen der Ordnung Glomales, der Ektomykorrhiza, umgeben.
Die auffälligsten Blattparasiten der Vogelbeere sind die Rostpilze der Gattung Gymnosporangium. Daneben tritt auch der Ebereschen-Mehltau auf den Blattoberflächen auf.

Die Beeren werden nicht selten von Schimmelpilzen befallen. Am häufigsten kommt auf Vogelbeeren der Kernobst-Polsterschimmel vor. Ganz selten findet sich auf den Beeren auch der Vogelbeer-Fruchtbecherling.
Im Holz kann der Schimmelpilz Verticillium dahliae vorkommen. Älteren Bäumen werden oft der Schwefelporling und auch der Hallimasch gefährlich.

Eine große Vielfalt an Pilzarten ist am toten Vogelbeerholz zu finden: Die Rötende Tramente, der Zimtfarbene Weichporling, der Fleischfarbene Zystidenrindenpilz, der Striegelige Schichtpilz, der Austernseitling, der Rosaceen-Büschelbecherling und der Vogelbeer-Kohlenpilz. Die Pilze mineralisieren den Baum.

Bedeutung der Vogelbeere für den Waldbau

In der Forstwirtschaft galt die Eberesche lange als unwirtschaftlicher, wertloser Baum, der nur in geringem Umfang geduldet wurde. In der jüngsten Vergangenheit hat die Vogelbeere, die aufgrund ihrer Anspruchslosigkeit und Widerstandsfähigkeit eine wichtige Pionierbaumart ist, deutlich an Wertschätzung gewonnen. Ganz besonders bewährt hat sich der robuste Baum in letzter Zeit bei der Neuanpflanzung belasteter Flächen. Im Erzgebirge, im Harz und im Fichtelgebirge ist die Vogelbeere oft die einzige Baumart, die bisher allen Immissionsbelastungen stand hält.

Auch im Fichtelgebirge machten sich die Immissionbelastungen seit Anfang der 1980-er Jahre durch schwere Waldschäden in Verbindung mit einem großen Baumsterben bemerkbar. Betroffen waren vor allem Fichtenbestände höherer Lagen. Zur Behebung der Schäden wurden hier schließlich im Rahmen des Waldverjüngungsprogrammes verstärkt Vogelbeerbäume angepflanzt, die sich nun natürlich verjüngen und verbreiten. Gleichzeitig geht das Bestreben in der Waldentwicklung auch hin zu einem möglichst naturnahen Bergmischwald. So ist in den Hoch- und Kammlagen (800 bis 1050 Meter) ein Ebereschenbestand von 20 Prozent angestrebt - neben 70 Prozent Fichte und je 5 Prozent Buche und Bergahorn. In den darunter liegenden Hanglagen (650 bis 800 Meter) soll die Vogelbeere neben Tanne, Lärche und Bergahorn zu mindestens 5 Prozent dem Fichten-Buchen-Wald beigemischt werden.

VIII. Literatur

Beiträge zur Vogelbeere. Berichte aus der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft 17. Hrsg. v. d. Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). Freising, September 1998.
Beuchert, Marianne: Symbolik der Pflanzen: Von Akelei bis Zypresse. Frankfurt a.M., 1995.
Bruns-Pflanzen-Export GmbH: Sortimentskatalog 2001/2.
Krüssmann, Gerd: Handbuch der Laubgehölze. Berlin, Hamburg, 1976.
Meyer, Norbert: Bericht über die Kartierung von 60 Wuchssorten endemischer Mehlbeer-Arten der Gattung Sorbus im Bereich der Landkreise Bayreuth, Forchheim und Nürnberger Land. Hrsg. v. IVL, Institut für Vegetationskunde und Landschaftsökologie. Hemhofen/Zeckern, 2000.
Oberdorfer, Erich: Pflanzensoziologische Exkursionsflora. Für Deutschland und angrenzende Gebiete. Stuttgart (8), 2001.
Pahlow, Mannifried: Das große Buch der Heilpflanzen. Gesund durch die Heilkräfte der Natur. Alles Wissenswerte über 400 einheimische und fremdländische Heilpflanzen. Altbewährte Rezepte für Tees, Bäder, Umschläge und Inhalationen. Anwendungen und Dosierungen in der Homöopathie. München, 1982.
Stadlbauer, Ferdinand: "Reibet die Fußsohlen mit weißem Senf ..." Heilpflanzen in der Oberpfalz. Regensburg, 1979.

Internet-Seiten:

http://ralf.rebmann.bei.t-online.de/eberesch.htm
http://www.almeda.de/home/brockhaus/1,2785,3055,00.html
http://www.botanikus.de/Beeren/Eberesche/eberesche.html
http://www.br-online.de/freizeit/querbeet/lexikon/eberesche.html
http://www.gifte.de/eberesch.htm
http://www.ruhr-uni-bochum.de/~schaelcz/kochfreunde/fidokochbuch/3/2/60.htm
http://www.sdw.de/wald/baum_infos/vogelbee.htm
http://www.uni-frankfurt.de/fb15/didaktik/Baum/htmlseiten/eberesche.html
http://www.wala.de/pflanze/archiv/eber.htm
http://www.wdr.de/studio/bielefeld/lokalzeitservice.vogelbeere/

IX. Anhang: Rezepte

Die meisten wild vorkommenden Vogelbeeren haben einen herben, bitteren Geschmack. Um die Beeren zu entbittern, kann man sie einen Tag in Essigwasser (1/3 Essig, 2/3 Wasser) legen oder die Beeren erst nach den ersten Frösten ernten, bzw. die Beeren in der Gefriertruhe frosten.

Vogelbeermus

Vogelbeeren mit wenig Wasser weich kochen und durch ein Sieb streichen, mit der gleichen Menge Zucker einkochen, eventuell einen Schuss Weißwein zugeben.

Oder:

2,5 kg Vogelbeeren (Beeren der Gemeinen Eberesche sollten eingefroren gewesen sein, entbittert) in wenig Wasser weich kochen, durch ein Sieb passieren. Äpfel in Stücke schneiden, weich kochen und durch ein Sieb passieren.
Gebackener Camembert (1 Camembert pro Person in Mehl, verquirltem Ei und Paniermehl wälzen, dann in heißem Öl backen) kann anstelle mit Preiselbeeren gut mit Vogelbeermus serviert werden.

Vogelbeeren-Tee

1 Esslöffel getrocknete, zerkleinerte Beeren mit 1/4 Liter kochendem Wasser übergießen, 8 bis 10 Minuten zugedeckt ziehen lassen. Bei Bedarf 1 Tasse, bei Durchfall täglich zweimal 1 Tasse davon trinken.

Vogelbeermarmelade

1 kg Mährische Vogelbeeren (die Beeren der Gemeinen Eberesche sollten 6 Monate eingefroren gewesen sein, entbittert) mit 1/2 Liter Apfelsaft weich kochen und durch ein Sieb passieren. Dem Fruchtbrei die gleiche Menge an Gelierzucker zugeben, zu Marmelade kochen und in Twist-off-Gläser füllen.

Grießauflauf mit Vogelbeeren

Zutaten: 150 g Butter, 150 g Zucker, 1/2 Liter Milch, 4 Eier. 1 TL Backpulver, 1 Vanilleschote, 175 g Hartweizengrieß, 200 g gemahlene Mandeln, 400 g geputzte Vogelbeere, 4-5 EL Vogelbeerbrand oder Kirschwasser. Zubereitung: Mit der Milch, der Vanilleschote und dem Grieß einen Grießbrei kochen und ausquellen lassen, die Schote entfernen. Eier trennen, Eiweiß steif schlagen. Mandeln und Backpulver mischen, mit 4/5 des Zuckers, 4/5 der Butter, den Eigelben und dem Schnaps unter den Brei rühren. 3/4 der Vogelbeeren darunter mischen, das steife Eiweiß unterheben. Die Masse in eine gefettete Form füllen. Restliche Vogelbeeren, Zucker und Butterflöckchen darauf geben. Im vorgeheizten Ofen bei 200 Grad etwa 30 Minuten backen.

Winterfutter für Vögel

Getrocknete Vogelbeeren in geschmolzenes Kokosfett geben. Nach dem Erkalten die Masse in Stücke schneiden und auslegen oder aufhängen.

Autorin: Karen Görner; e-mail: k.goerner@gmx.net

Die umfangreiche Abhandlung ist im Rahmen der Mitarbeit im Naturpark Fichtelgebirge entstanden und ist Begleittext einer Ausstellung in der Naturpark-Infostelle Grassemann bei Warmensteinach. Wir danken dem Naturpark-Geschäftsführer Herrn Christian Kreipe, der der Veröffentlichung an dieser Stelle ebenfalls zustimmte. Gesponsert wurde die Ausstellung durch die Firma Sechsämtertropfen GmbH Wunsiedel, die den bekannten Sechsämtertropfen aus Vogelbeeren herstellt. Die Vogelbeerbaum-Pflanzaktion des Naturparks wurde tatkräftig von den FGV-Ortsgruppen Kirchenlamitz und Niederlamitz unterstützt.

 


Naturpark-Infozentrum Grassemann bei Warmensteinach 


Vogelbeerbaum 

 

 

Aussichtsturm auf der Kösseine

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