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Zur Geschichte der FGV-Ortsgruppe Marktredwitz
von Manfred Schultes

Die Ortsgruppe Marktredwitz ist die zweitälteste Ortsgruppe des Fichtelgebirgsvereins. Bereits bei der am 16.12.1888 in Wunsiedel erfolgten Überführung der „Sektion Fichtelgebirge“ des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins in den „Fichtelgebirgsverein“, waren etliche Marktredwitzer Bürger dabei. Die Gründung der damaligen „Obmannschaft Redwitz“ erfolgte wohl im Jahr 1889; der erste Obmann war der Maschinenfabrikbesitzer Heinrich Rockstroh. Aus einer Mitgliederliste des Hauptvereins aus dem Jahre 1893 sind neben ihm noch folgende 33 Redwitzer Mitglieder nachgewiesen: Apotheker Ulmer, die Ärzte Dr. Beutner, Dr. Bissinger, Dr. Scheller, die Bahnbeamten K. Dippl, Saalfrank und Gustav Schmidt, Baumeister Fritz Mühlhöfer, Bierbrauereibesitzer August Kastner, Buchdruckereibesitzer Felix Gallus, Bürgermeister Lebrecht Prell, Chemiker Dr. Andreas Kossel, die Kaufmänner Sophian Bauer, Heinrich Glaß und Gustav Wunderlich jun., die Fabrikbesitzer Heinrich und Karl Benker, Florian und Theodor von Glaß, August Ludwig Mühlhöfer (Obmann im Jahr 1893), Emil Offenbacher, Sigmund Scherdel, Georg Seeberger und Tropitzsch, Färbereibesitzer Fikentscher, königl. Expeditor Wolfgang Müller, Gerbereibesitzer Lippert, Glasfabrikdirektor Müller, Großhändler W. Krippner, die Lehrer Hagen und Neupert, Marktschreiber Carl Wälzel und Pfarrer Kästner.

Die Aktivitäten des Vereins bestanden in der Anfangszeit hauptsächlich in regelmäßigen Zusammenkünften und im Anlegen von Wanderwegen. Wanderungen waren noch nicht üblich, einmal im Jahr fand ein größerer vom Hauptverein organisierter Ausflug statt. Erster Höhepunkt des Vereinslebens war der zusammen mit der Ortsgruppe Wunsiedel realisierte Bau des Unterkunftshauses auf dem Kösseinegipfel, das am 24.5.1903 eingeweiht und bereits 1912 erweitert wurde. Für die Bauausführung war der Marktredwitzer Baumeister Köppel verantwortlich; die Pläne stammten vom Wunsiedler Baurat Winnerling. Bis 1906 waren die Redwitzer Gastgeber von fünf Hauptversammlungen des Hauptvereins. Das Vereinsleben war bis 1914 rege und das Ansehen des FGV in der Öffentlichkeit hoch.

Der Erste Weltkrieg zog das Vereinsleben arg in Mitleidenschaft. Die Ortsgruppe verlor etwa ein Viertel ihrer Mitglieder und dem Obmann Hacker, der sein Amt 1925 wegen Interesselosigkeit der Mitglieder und Querelen mit der Wunsiedler Hauptleitung niederlegte, gelang es nicht, an die Vorkriegszeit anzuknüpfen. Dennoch widmete man sich der Markierung des Quellenwegs von Marktredwitz bis Hohenbrand.

Erst im Januar 1927 trat wieder eine Vorstandschaft ihr Amt an. Diese bestand u.a. aus dem Spediteur und 2. Bürgermeister Christian Schirmer (Obmann), dem Kassier Konrad Schultheiß und dem Schriftführer Hans Klughardt. Neu organisiert wurde das Markierungswesen, denn es galt 80 km Wanderwege zu betreuen. Schließlich gelangte die Bergwacht unter Leitung des 2. Obmanns Willi Jakob zu neuer Blüte. Besonders Obmann Schirmer mobilisierte zu den verschiedensten Veranstaltungen, u.a. zu mehreren Treffen mit der Ortsgruppe Nürnberg, zahlreiche Mitglieder. Im Jahr 1929 würdigte der Hauptverein diese Aktivitäten mit der Frühjahrshauptversammlung in Marktredwitz, die in festlichem Rahmen im Kastnerbräusaal und in den Anlagen des Schützenhofes stattfand. Vereinsziele waren damals: an erster Stelle die Förderung des Heimatgedankens, also die Pflege der Heimat und Volkskunde, dann die Förderung des Fremdenverkehrs und die Förderung des Wanderns.

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 führte zur Gleichschaltung der Ortsgruppe; sie hatte auch ihr Vereinsleben im Geiste des nationalsozialistischen Volksstaates auszurichten. Entsprechend des Führerprinzips wurde 1933 als Vereinsführer der Hauptlehrer Friedrich Weber gewählt, der seine Mitarbeiter im Vorstand Hauptlehrer Riedel (2. Obmann), Konrad Schultheiß (Kassier) und Karl Schmidt (Schriftführer) selbst bestimmte. Ferner trat die Ortsgruppe kooperativ dem „Bund Deutscher Osten“ bei, der die östlich der Reichsgrenze lebenden Deutschen unterstützen und das angebliche Expansionsstreben der slawischen Völker unterbinden sollte. Hierdurch sollte ein völliges Auflösen des FGV als eigenständiger Heimatverein verhindert werden. Der FGV trat zwangsweise dem „Reichsverband Deutscher Gebirgs- und Wandervereine“ bei, der als Untergruppierung zum „Deutschen Reichsbund für Leibeserziehung“ und damit zur NSDAP gehörte. 1935 wurde Hauptlehrer Riedel Obmann der Ortsgruppe. In der Folgezeit vollzog sich ein reges Vereinsleben, das durch Wanderungen, Omnibusfahrten und Hüttenabende gekennzeichnet war. Die Ortsgruppe nahm auch regelmäßig an den Faschingszügen in Marktredwitz teil. Man widmete sich weiterhin den Markierungsarbeiten und auch das Kösseinehaus bedurfte laufender Reparaturen. Der nationalsozialistische Einfluss machte sich jedoch besonders bei den Sonnwendfeiern auf der Kösseine bemerkbar: Nach der „Feuerrede“ des Obmanns, in der dem Führer unverbrüchliche Treue versichert wurde, sang man das Deutschland- und das Horst-Wessel-Lied.

Der 1939 ausgebrochene Zweite Weltkrieg beeinträchtigte das Vereinsleben stark, weil viele Mitglieder Militärdienst leisten mussten. 1942 führte der Hauptverein seine Hauptversammlung, die sog. „1. Kriegshaupttagung“, in Marktredwitz durch. Nach der Kapitulation verboten die Alliierten alle Vereine, so auch den FGV, so dass jegliches Vereinsleben ruhte.

Bereits am 11.8.1945 bekam der FGV-Hauptverein von der Militärregierung die Erlaubnis, seine Arbeit wieder aufzunehmen. In Marktredwitz dauerte es jedoch geraume Zeit bis das Vereinsleben neu erwachte. In den ersten Nachkriegsjahren versuchten der frühere Kassier Schultheiß und Obmann Dr. Albin Kreul vergeblich, den Verein wiederzubeleben. 1954 wurde Dipl. Ing. Hermann Wiemann zum neuen Obmann gewählt, der beim Neuaufbau von Georg Bickel unterstützt wurde. Durch sein tatkräftigen Wirken belebte er das Vereinsleben rasch und auch die Markierungsarbeiten begannen wieder. 1956 wurde eine Fotogruppe gegründet und der Bau einer Bergwacht-Schutzhütte im Steinwald in Angriff genommen. Im Mai 1959 fand die 72. Hauptversammlung des FGV in Marktredwitz statt.

Im März 1960 übernahm Oberstudiendirektor Julius Neidhardt die Leitung der Ortsgruppe. Das Kösseinehaus musste aufwändig restauriert werden. Im Jahre 1969 bekam es dank des großen Einsatzes des seit 1959 tätigen Hüttenwarts Erich Kügler und unter Mithilfe einer Pioniereinheit der Bundeswehr den Anschluss an das Stromnetz und eine gesicherte Wasserversorgung. In den Jahren 1960 bis 1965 war unter Leitung von Helmut Popp die Jugendgruppe sehr aktiv und ein besonderes Aushängeschild der Ortsgruppe. 1966 kaufte der FGV von der Sektion Greiz des Deutschen Alpenvereins das vom Marktredwitzer Architekten Carl Sievert 1929 erbaute Marktredwitzer Haus im Steinwald. Nach umfangreichen Umbauarbeiten wurde im September 1967 die Wiedereröffnung der Unterkunftshauses gefeiert. Der Ortsgruppe Marktredwitz übertrug der Hauptverein die Betreuung des Hauses. Die zuständigen Hüttenwarte waren Hans Sick, ab 1980 Hans Arzberger, ab 1990 dessen Sohn Eberhard Arzberger und seit 2004 Günter Karl. 1977 übergab man die Betreuung des Kösseinehauses an die Ortsgruppe Wunsiedel, da man sich voll auf das Marktredwitzer Haus konzentrieren wollte. Im September 1979 wurde die 50-Jahr-Feier des Marktredwitzer Hauses bei eisiger Kälte, Regengüssen und Nebel, aber mit guter Stimmung im aufgebauten Festzelt begangen. Derzeit wird auf Initiative des Marktredwitzer Unternehmers Walter Bach von der Scherdel-Gruppe mit großem finanziellen Aufwand eine umfangreiche Sanierung und Umgestaltung des Hauses durchgeführt, deren Kosten mit rund 400 000 € veranschlagt sind.

Julius Neidhardt erwarb sich große Verdienste um den Verein; er war 14 Jahre Schriftleiter des Siebenstern, Kulturpreisträger des FGV, Ehrenmitglied des Hauptvereins und der Ortsgruppe. Ihm folgten als Obmann 1969 dessen Sohn Dieter Neidhardt, 1978 Wolfgang Dollhopf, 1985 Hannelore Glaser und seit 1987 Heinrich Dick. Unter ihnen setze sich die stete Aufwärtsentwicklung der Ortsgruppe fort. Dieses erfolgreiche Wirken war nur durch den ehrenamtlichen Einsatz zahlreicher Mitarbeiter möglich. Zu nennen sind hier insbesondere als langjährige Fachwarte: die Kassierer Georg Hönle und Helmut Seifert und die Wanderwarte Georg Trischberger, Heribert Braunschläger und Gerlinde Kolb. Die Ortsgruppe ist heute für die Markierung von über 160 km Wanderwege verantwortlich. Diese Arbeit übernahmen jahrzehntelang die Markierungswarte Karl Kabius und seit 1984 Heribert Braunschläger; die beiden setzen mit ihren Helfern Tausende von Markierungszeichen und Hinweistafeln und erneuerten sie ständig.

Im Mai 1984 führte der Hauptverein den Fichtelgebirgstag in Marktredwitz durch. Im Juli 1989 feierte die Ortsgruppe ihr 100jähriges Bestehen. In einem Festakt überreichte der damalige bayerische Umweltminister Alfred Dick der Ortsgruppe die Eichendorff-Plakette. Ferner unterzeichnete der damalige Oberbürgermeister von Marktredwitz Freiherr Hans Achaz von Lindenfels und der Obmann der Ortsgruppe Heinrich Dick den Nutzungsvertrag über das Vereinsheim, das Gerberhaus am Zipprothplatz im Ortsteil Dörflas.

Das Gerberhaus wurde der Ortsgruppe nach einer von der Stadt Marktredwitz mit einem Kostenaufwand von etwa 500 000 DM vorbildlich durchgeführten Restaurierung im November 1992 von Oberbürgermeisterin Dr. Birgit Seelbinder als Vereinsheim übergeben. Die Ortsgruppe verfügt dort über ausgezeichnete Tagungs- und Versammlungsräume, Büro und Archiv. Sie pflegt den Bauerngarten und schmückt zur Osterzeit – unter der Regie von Renate Dick – den Brunnen, der ursprünglich eine Milchkühlung war. Die Hauswarte, zunächst das Ehepaar Eschenbeck und seit 1996 das Ehepaar Schöpf halten Haus und Garten mit großem Einsatz gut in Schuss.

Die Fotogruppe, die 2006 ihr 50jähriges Bestehen feiert, hat im Gerberhaus ein Labor und eigene Clubräume. Sie ist Mitglied im Deutschen Verband für Fotografie (DVF) und beteiligt sich seit 1965 bis heute erfolgreich an den Wettbewerben dieses Verbandes. Erster Leiter der Fotogruppe war Hermann Wiemann; danach folgten 1961 Otto Brand, 1968 Alfred Schultes und seit 1985 dessen Sohn Manfred Schultes. Die Fotogruppe gestaltet Monatsabende der Ortsgruppe mit Diavorträgen und trägt mit mannigfaltigen Aktivitäten zum kulturellen Leben in Marktredwitz bei. Neben sechs Fotoausstellungen des DVF, in denen 1967, 1974, 1980, 1984, 1996 und 2002 Werke von Fotografen aus ganz Oberfranken gezeigt wurden, trat sie auch durch zahlreiche Vereinsausstellungen in Marktredwitz an die Öffentlichkeit. Erwähnt sei hier die Einzelausstellung des langjährigen technischen Leiters Max Kowalzik in 1998 und die Fotoausstellung „Fichtelgebirge – Steinmeer und Siebenstern“ von Gerhard Bayerl und Manfred Schultes anläßlich des 102. Deutschen Wandertags in 2002. Ferner zeigte die Fotogruppe Bilder auch in den Marktredwitzer Partnerstädten La Mure in Frankreich (1990) und Castelfranco Emilia in Italien (1998).

Das Gerberhaus hat sich als wahrer Glücksfall für die Ortsgruppe erwiesen. Ist es doch Dreh- und Angelpunkt eines regen Vereinslebens, in dem Monats-, Kultur-, Brauchtums- und Fotogruppenabende und gemütliche Nachmittage durchgeführt werden. Weitere Schwerpunkte sind zahlreiche Wanderungen und Kultur- und Wanderfahrten in die neuen Bundesländer und in die Alpen, organisiert von Gerlinde Kolb, Erhard Grünler und Günter Karl. Ferner hat die Ortsgruppe mit Unterstützung der Stadt Marktredwitz, des Alpenvereins und der Bergwacht die Tradition des Maibaumaufstellens im Markt wiederbelebt. Jährliche Sonnwend- und Weihnachtsfeiern, meist am Marktredwitzer Haus, runden das Vereinsprogramm ab.


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Quellen:
Erich Gaiser, „Die Geschichte der Ortsgruppe Marktredwitz im Fichtelgebirgsverein“, Siebenstern 1959, S. 44ff
Julius Neidhardt, „Aus der Geschichte der FGV-Ortsgruppe Marktredwitz“, Siebenstern 1984, S. 41ff
Angelika Bayerl, „Die Entwicklung der Ortsgruppe Marktredwitz im Fichtelgebirgsverein“, Facharbeit am Otto-Hahn-Gymnasium Marktredwitz, Manuskript 1997

 

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