Der gekrönte Conrad Celtis
und das Fichtelgebirge Sicher nicht immer, aber manchmal lohnt sich, der Aussage eines Satzes unter vielen nachzugehen. Der folgende Satz findet sich in der Mitte des zweiten Absatzes des ersten Kapitels der 1811 gedruckten Schrift „Umsichten auf dem Ochsenkopf“ von Johann Heinrich Scherber: „Der erste unter Deutschlands gekrönten Dichtern, Konrad Celtis, besang seinen Ruhm.“ Celtis besang seinen Ruhm? Gemeint ist der Fichtelberg, das Fichtelgebirge. Wie wohl mag Celtis, der Humanist, Dichter und Kosmograph, diesen Flecken Erde zu seiner Zeit, damals zu Ende des 15./Anfang des 16. Jahrhunderts besungen haben? Scherber verrät es nicht. Und bei Celtis selbst nachzuforschen ist für einen, der des Lateinischen nicht mächtig ist schwer, denn Celtis Werke sind im Prinzip nicht ins Deutsche übersetzt. Die Internetrecherche führt über Professor Jaumann, Universität Greifswald, zu Dr. Jörg Robert, Universität Würzburg und Dr. Gernot Michael Müller, Universität Augsburg. Robert und Müller promovierten über Celtis und sein Werk. Freudige Erkenntnis: In der als Buch erschienenen Doktorarbeit von Gernot Michael Müller „Die ‚Germania generalis‘ des Conrad Celtis“ finden sich Celtis Worte über das Fichtelgebirge auch ins Deutsche übersetzt. Und weitere Blicke in Dr. Müllers Buch bringen Erstaunliches, bisher wohl kaum Beachtetes ans Tageslicht. Darüber nachfolgend mehr. Ist von den Erstbeschreibern des Fichtelgebirges die Rede, werden in der Regel Matthias von Kemnath (1429 - 1476), Caspar Bruschius (1518 - 1559), Johann Will (1645 - 1705), Johann Christoph Pachelbel von Gehag (1675 - 1726) und später Carl Wilhelm von Gümbel (1823 - 1898) genannt. Tatsächlich waren es im Wesentlichen sie, die ab 1476 ihr Wissen um das Fichtelgebirge zu Papier brachten. In Johann Heinrich Scherbers „Umsichten auf dem Ochsenkopf“ aus dem Jahr 1811 taucht aber ein Name auf, der in diesem Zusammenhang nie oder kaum genannt wird: Conrad Celtis (1459 - 1508). Aber gerade er - 1487 als erster Deutscher von Kaiser Friedrich III. zum Dichter gekrönt - hat nach heutigen Kenntnissen als Erster sein Wissen und seine Erkenntnisse über das Fichtelgebirge öffentlich gemacht. Mehr noch: Celtis war der Erste, der eine (bisher im Verborgenen schlummernde) Abbildung vom Fichtelgebirge veröffentlichte. Zwar hat Kemnath in seiner um 1476 beendeten "Chronik Friedrichs I. des Siegreichen auf drei Seiten eine Art Fichtelgebirgs-Topographie geliefert, aber diese Arbeit wurde erst 1862 gedruckt, war also bis dahin lediglich handschriftlich und bestenfalls am Hofe bekannt. Celtis erwähnt nun in seiner 1495 erschienen „Norimberga“, einer Stadtbeschreibung von Nürnberg, eine Reise an den Fuß des Fichtelgebirges, wo er sechs Druidenstatuen aus Stein gefunden habe, und er erwähnt die vier Flüsse, die dort jeder in eine der vier Himmelsrichtungen fließen. 1502 erschien in Nürnberg - wie damals üblich in Latein - sein Hauptwerk „Quattuor libri amorum secundum quattuor latera Germaniae“. In den vier Büchern voller Liebeselegien („Amores“) finden sich auch poetisch geographische Beschreibungen der Regionen und bedeutender Städte Deutschlands („Germania generalis“). Das Fichtelgebirge fehlt nicht, ja es wird, wie Dr. Gernot Michael Müller und Dr. Jörg Robert, die meine Recherchen dankenswerterweise unterstützten, feststellen, von Celtis als der Mittelpunkt deutscher Lande gesehen. Und im Gegensatz zu Matthias Kemnath hat Celtis vor 1495 (das genaue Datum lässt sich nicht mehr ermitteln) das Fichtelgebirge mit seinem Freund, dem im oberpfälzischen Ort Kemnath geborenen und späteren Rektor der Universität Ingolstadt, Johann Tholhopf offensichtlich besucht, kennt die Region also aus eigenem Erleben, weiß, wie der Holzschnitt eines unbekannten Meisters in seinem Werk zeigt, von den dort entspringenden vier Flüssen, Main, Saale, Eger und Naab, die jeder in eine der vier Himmelsrichtungen fließen. „Pinifer mons“, fichtentragender Berg, fichtentragendes Gebirge (1), nennt Celtis die Region, von der er, in der Übersetzung von Dr. Gernot Michael Müller, schwärmerisch berichtet. „Den herkynischen Gebirgszug läßt Deutschland in seiner Mitte in die Höhe ragen und breitet seine Kämme in vielen Landstrichen aus, von denen das Fichtelgebirge, auf unermeßlichem Bergrücken fußend, sein dunkles Haupt zu den Sternen erhebt und von seinem wasserreichen Gipfel vier in die Ferne schweifende Flüsse nach den vier Seiten der Welt ausgießt: Der Main eilt rasch dem Rhein im Westen entgegen, und die Saale, die den herrlichen Siegespreis des Drusus (2) mit sich führt, strebt den kühlen Wassern der Elbe zu. Die Naab nimmt ihren Lauf nach Süden, die Eger aber lenkt ihre Arme dem Aufgang der Eos (3) zu, und mit sich zieht sie den herkynischen Wald mit seinen hohen Gipfeln.“ Kommentierend stellt Dr. Müller fest, dass
es „für den pinifer mons keinen antiken Beleg“ gibt, und „es
findet sich auch keine Beschreibung, die auf ihn zutreffen könnte“.
Folglich: „Celtis muss die Beobachtung der vier Flüsse, die
nach den vier Himmelsrichtungen abfließen, demnach selbst
gemacht haben.“ In Auswertung weiterer Celtis Zitate kommt Dr. Müller
zu dem Schluss: „Keine andere topographische Formation der Germania
erwähnt Celtis so häufig wie pinifer mons... Neben den
Quellen der vier Flüsse, die die Besonderheit dieser Anhöhe
ausmachen, wird außerdem betont, dass der pinifer mons das
Haupt des iugum Hercynium (4) sei, eines Gebirgszuges, den Celtis
in Anlehnung an die ptolemäische Karte (5) in der Mitte der
Germania ansiedelt.“ Anmerkungen: 1) „Pinifer mons, fichtentragendes Gebirge“ -
eine durchaus zutreffende Bezeichnung. Nach dem Bericht über
die Waldbereitung im markgräflichen Amt Wunsiedel von 1571
machten dort z. B. Fichte und Tanne mehr als 50 % des Waldbestandes
aus. Literatur: Autorenkollektiv: „Amor als Topograph?“, Ausstellungskatalog
der Bibliothek Otto Schäfer Schweinfurt zu „500 Jahre Amores
des Conrad Celtis“ 2002. Anschrift des Verfassers:
|