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Ein blutiger Ernstfall vor 375 Jahren am Schirndinger Pass
Siegfried Röder

Im vergangenen Jahr erinnerten sich geschichtlich interessierter Heimatfreunde der 375. Wiederkehr der Verteidigung des Schirndinger Passes durch den „Landes-Ausschuss“, in dessen Verlauf die zahlenmäßig weit unterlegenen, im Kampf unerfahrenen Verteidiger die Leidtragenden waren. Der 10. Juni 1632 ist als einer der schwärzesten Tage in der Geschichte unserer engeren Heimat eingegangen.

Bereits Anfang Juni 1632 überfielen umherstreifende kaiserliche Söldnerscharen die Gegend um Bayreuth und plünderten Emtmannsberg. Eine Übergabe von Wunsiedel an den Kommandanten von Kemnath, Oberst von Schaumberg, ließ sich nur durch die eilig zusammengerafften Ausschusskompanien von Hof, Münchberg und Weißenstadt verhindern. Aber in Eger, wo am 10. Juni 1632 bereits Übergabeverhandlungen an die Holkischen Truppen stattfanden, braute sich jenes Unheil zusammen, das der östlichen Markgrafschaft Bayreuth und insbesondere dem Sechsämterland ungeahnte Opfer abverlangen sollte. Den Auftakt zu jenem jahrelang wütenden Totentanz bildete das denkwürdige Treffen am Schirndinger Pass, dem wichtigen Zugang von Böhmen her in die Markgrafschaft. Jahrhundertelang blieb dieses blutige Treffen am Schirndinger Pass im Gedächtnis der sechsämterischen Bewohner haften.

So heißt es in einer im Stadtarchiv Arzberg erhalten gebliebenen Gedenkrede des Arzberger Bürgermeisters Johann Michael Hagen von 1820: „...Als der Dreißigjährige Krieg über Deutschlands Fluren hereinbrach, hatte, bis zu dessen Mitte ... Arzberg und seine Umgebung nicht viel zu leiden. Als aber am 9. Juni 1632 der Grenzpass Schirnding, den die Arzberger Ausschußmannschaft (unter dem Befehl des Ausschußhauptmanns und Metzgermeisters Hans Schreyer) verteidigte, durch die kaiserlichen Völker unter dem Oberst Holk in Sturm genommen wurde, brach das Unglück herein. Folgende Bürger kamen bei der Verteidigung des Passes ums Leben: Der Corporal Georg Grötsch, die Bürger Nikol Köppel, Hans Bauer, Hans Mainer, Gilg Mainer, Hans Wülfling, Conrad Lochner, Hans Hemmer, Heinrich Roßmeusel, Andreas Seuß, Johann Caspar Pfar, Nikol Röder von Garmersreuth und weitere fünf von benachbarten Dörfern wurden erschossen.. Zwanzig Arzberger Bürger wurden nach Eger in Gefangenschaft geführt, wo sie sich gegen Erlegung von 10 Rheintalern wieder freikaufen konnten. Darauf wurden den 12. Juni in der Nacht der Ort Arzberg durch diese Holkischen Völker angezündet und es brannten 54 Bürgerhäuser, 2 Torhäuser, die Fleischbank, das Schulhaus, das Bräuhaus, die Caplanei und das Rathaus mit allen Schriften und Urkunden nieder.“ Am 15. Juni, so geht aus dieser Ansprache weiter hervor, wurde die Pfarrkirche Maria Magdalena endgültig „inwendig der Kirchen, damit ja nichts übrig bliebe, gar angezündet und verbrennet“  und nebst der Pfarr-wohnung vernichtet. Das Mass des Leidens war aber noch nicht voll; was Feuer und Schwert übrig gelassen hatten, wurde am 17. Oktober von den kaiserlichen Truppen, die zurück nach Böhmen zogen, vernichtet. Im Dezember kamen Kroaten und erpreßten gar, wo noch etwas war,“ heißt es weiter.

Ebenfalls am 12. Juni haben die Kaiserlichen den Markt Thiersheim „spoliert (ausgeraubt), hernach angezündt und fast gantz abgebranndt.“ Der Grausamkeiten war aber noch kein Ende; sie zogen sich über unsere Stadt (Arzberg) noch bis 1633, bis der Markt wüst, öd und unbewohnt war, und die Regierung alles unternahm, um die Bürger zu bewegen, den Ort wieder zu bewohnen, damit neue Einquartierungen vorgenommen werden konnten. Nur 30 Seelen blieben hier, heißt es, die anderen siedelten in der Fremde. Bürgermeister Michael Hagen nennt den 9. Juni 1632. An diesem Tag hat wohl ein Teil (der um Eger gelegenen Wallensteinischen Belagerungstruppen), eine unter Oberst Walther Butler angerückte Streitmacht den Pass Schirnding handstreichartig eingenommen. Wie sich dann die nachfolgenden Ereignisse abgespielt haben, ist aus den Unterlagen nicht klar ersichtlich. Möglicherweise hatte sich Oberst Butler nach der Einnahme des Passes wieder zurückgezogen. Der Pass wurde wohl wieder von Landvolk und Auschußmitgliedern besetzt und gesichert.

Ein Zeitzeuge, der (Markt-)Redwitzer Bürgermeister Georg Leopold, hält das nachfolgende blutige Gemetzel in seinen  Tagebuchaufzeichnungen fest. Da heißt es: „Als auch umb diese Zeit allerorten Bericht ankam, daß der Herzog von Friedland, Kaiserischer Generalissimus – sonsten Wallensteiner genannt – mit einer starken kaiserischen Armee, in 25 000 Mann, zu Roß und Fuß, aus Böheim im Anzug auf Eger sei, schrieben die Beamten von Wunsiedel herab an uns Rebitzer, daß ein gemein Geschrei von Kaiserischen anziehendem Kriegsvolk gegen Eger wäre und man sich besorgte, wenn man nit beizeiten vorbauete, es auch in diese Lande einbrechen möchte. Zu dessen Verhütung wäre von ihrer Fürstlichen Herrrschaft Befehl an sie gekommen, daß sie alle Wälder verhauen, benebens alle Pässe, insonderheit den Paß  Schirnding, mit dem Landvolk und Ausschuß besetzen und wohl verwahren sollten; welchen fürstlichen Befehl zu vollziehen sie untertänig nachkommen mußten“ (obwohl die Stadt Marktredwitz egrisch war). Den weiteren Aufzeichnungen zufolge, schickte die Marktredwitzer Bürgerschaft 30 bewaffnete Männer zur Verstärkung nach Schirnding. Geplant war, anderntags die Genannten wieder durch 30 neue Bewaffnete abzulösen. Wie aber nun die kleine Marktredwitzer Streitmacht nach Schirnding kam, trafen sie nur einige schlecht bewaffnete Bauern an, die den Paß halten sollten. Dabei war aber kein einziger Beamte oder Offizier, auch der Ausschuß war nicht anwesend. Die Marktredwitzer sahen in diesem geringen Aufgebot keine Chance den Paß gegen die kriegserprobten Kaiserlichen zu halten. Am andern Tag (=10. Juni) machten sie sich frühzeitig wieder auf den Rückweg „und haben sich an den Wasser (der Röslau) herauf mit großer Lebensgefahr wieder auf hierhero begeben“.

Leopold schreibt weiter: „In der selben Viertelstund, da sie sich zu Schirnding aufgemachet und nur zum festen Paß heraus waren, fallen die Kaiserischen das Dorf allenthalben an. Die armen Bauern aber, welche vorhero von den Beamten bedrohet worden, zu bleiben, auch gewiß zu entsetzen (=Verstärkung zu erhalten) vertröstet worden, ....warfen ihre Wehr von sich, wollten entlaufen und ihr Leben retten. Aber wie sie hinauskamen ins freie Feld, wurden sie allenthalben umringet. Hin und her im Getreid sind bei 42 Bauern niedergeschossen, aber ihrer noch viel mehr armselig beschädigt worden.. Diese armen Leut sind wohl von ihren Beamten verlassen, auch unschuldig und jämmerlich auf die Fleischbank geopfert worden....“. Als am nächsten Morgen (also am 11. Juni) ein 300 Mann starkes Kontigent Soldaten des Hofer Ausschußes eintraf, zogen sich die Kaiserlichen zurück. Sie vermuteten einen größeren Hinterhalt. „Aber den guten Hofern, wie sie die Toten hin und her liegen sahen, standen die Haar zu Berg. Wie sie ihren Vorteil ein wenig ersahen, machten sie sich selbe Stund noch auf und begaben sich in höchster Eil auf (Burg) Hohenberg. Als aber die Gefahr – je länger je größer – auch an Hohenberg gehen sollte, verließen sie Hohenberg (auch) in aller Still und begaben sich wieder nach Hof...“. Der Selber „anonyme“ Chronist merkt um 1765 dazu an:   „...Anno 1632 wurde der Landesausschuß hierher (an den Paß) postiret, um den Kayserlichen und Bayerischen Einfall zu verhüten; allein die feindliche Parthey setzte unvermerckt tiefer hinab über den Fluß, umringte die Ausschußer, und machte solche elendiglich nieder, welchem Unglück der commandirende Officier, wann er das Handwerck verstanden hätte, durch eine geschickte Retirade entgangen wäre.....“. Nach diesem schrecklichen Auftakt am Schirndinger Paß stand das Sechsämterland den blutigen Einfällen von Kaiserlichen Truppen schutzlos offen. Erwartete Hilfe seitens der markgräflichen Regierung in Bayreuth blieb aus. Der Markgraf flüchtete mit seiner Familie nach Dresden.

Der Hofer Rektor Christoph Lang (gedruckt bei Joh. Andreas Hetscheln) erinnert 1774: „Der 18. Junius (1632) zu Mittag nach 1 Uhr machte den Anfang in der Reihe der Schicksale, welche die Stadt (Wunsiedel) von Zeit zu Zeit in ein Labyrinth der Trübsalen verwickelt haben. Der Kaiserliche Obristlieutnant Walter Butler näherte sich an diesem Tage, mit ettlichen 3000 Mann an Croaten, Polaken und Dragonern, lies die Stadt gleich auffordern, sich in Kaiserl. Majestät Schutz zu begeben, die Städel aufgebrochen und zum Anzünden Anstalt gemacht. Es kam aber der Oberwachtmeister der Stadt Eger, Melchior Adam Moser, und redete mit Alexander Pachelbel, den er wohl kannte, daß noch ein ankommender Curs mit 3000 Mann Hohenberg weggenommen und zu Schirnding stehe, und das in Eger beim Trommelschlag ausgeruffen worden sei, keines Orts im Markgrafenthum zu schonen, daher mußte der Syndicus Johann Gropp und Alexander Pachelbel hinaus und accordiren, daß der Münchberger Ausschuß, der mit dem unsrigen 50 Musquetier waren, mit Ober- und Untergewehr, freien Abzug haben sollte....“. Und weiter schreibt er aus seiner Sicht: „...Den 23. Junius lagerte sich der General Matthias Gallas bey Röthenbach, welchen Wallenstein von Forchheim aus gegen die sächsische Grenze geschickt hatte, um den Churfürst von der schwedischen Seite abzuziehen. Er hatte Croaten und Pollaken bei sich und der Ausschuß, den man bei Schirnding an den Paß postirt hatte, sollte ihn abhalten, in das Land zu dringen. Allein er ging oben weg und ruckte bei Arzberg herein. Sie durchzogen die ganze Amtshauptmannschaft, plünderten, mordeten und brannten, wo sie hinkamen, wie denn (auch) die Hammerschmidte auf dem Neuenhammer bei Weissenstadt von ihnen niedergeschossen wurden...“

Aus dem Hohenberger Totenbuch erschließen sich einige weitere Namen der tapferen Verteidiger.  Da heißt es: „... so uffm Baaß zu Schirnding von Kaiserischen Volckh erschossen worden, gelegt den 13. Juni: Erhard Jäckel, Bürgermeister, ingleichen Michl Lochner, Christoff Fürbringer aus Raithenbach und Martin Frank aus Schleda. Der verwundete Friedrich Jäckel starb noch 1642 „von Crobaten geschossen ao. 1632.“ Die Namen weiterer ums Leben gekommener Verteidiger sind aus der „Steuerrestantenliste von 1645“ überliefert: Nicol Krötsch (aus Thiersheim) „welcher zu Schirnding uffm Paß umbkommen“, Georg Lindner (aus Arzberg) „uffm Schirndinger Paß umbkommen“, Gilg Meiner (aus Arzberg) „uffm Paß zu Schirnding niedergehieben...“. Ausschusshauptmann Hans Schreyer überlebte möglicherweise den Kampf. Laut Arzberger Kirchenbucheintrag war er 1602 geboren und 1658 verstorben. Bei Matthias Simon findet sich der Hinweis, daß das Grabmal des heldenmütigen Hans Schreyer sich auf dem Arzberger Kirchhof bis 1825 befand und beim Neubau des Kantoratsgebäudes verschwand. Es wurde wohl bei den Baumaßnahmen mit verwendet.

Burg Hohenberg hatte nach ihrer Einnahme am 18. Juni 1632 bis Ende Juli 1635 eine Kaiserliche Besatzung zu ertragen. Unter den Kommando der kaiserlichen Festungskommandanten Kapitän Georg Wilhelm Merix Anglo, gefolgt von Valentin Carl Voit von Rieneck, anschließend Hauptmann Johann Prößler und zu allerletzt Kapitän de Ville mußte das besetzte Sechsämterland und die Stadt Hof 3 Jahre lang Kriegskontribution nach Burg Hohenberg abliefern.                                        

Literatur und Quellen:

Arzberger, Dieter, „Über Selb“ Eine anonyme Chronik aus dem 18. Jahrhundert, Selber Hefte, Selb-Oberweißenbach 2004
Arzberger Hefte, Heft Nr. 9, Steuerrestantenliste 1645, Arzberg 1961
Braun, H. Dr. (Hrsg.) Marktredwitz im 30jährigen Krieg, 2 Bände der Leopoldschen Hauschronik, 2. Aufl., Marktredwitz, 1985
Kirchenbücher Hohenberg, 1632
Kraus, G., in  „Der Siebenstern“ , 1982, H. 4
Röder, S., „Die Freistatt“, Bd. Nr. XVII: Die Burg und ihre Amtsinhaber in Hohenberg (a.d.Eger), Hohenberg a.d.Eger 2002
Simon, M.D., Arzberger Heimatbuch, 2. Aufl., Arzberg 1954
Singer, F.W.Dr., Heimat an der hohen Warte, Thiersheim 1982
Stadtarchiv Arzberg, Archivalie ohne Nr.
Sticht, E., Markgraf Christian und der 30jährige Krieg, Kulmbach 1965

Anschrift des Verfassers:
Siegfried Röder, Buchenweg 3, 95691 Hohenberg a.d.Eger

 

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