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Vor 25 Jahren fiel der Eiserne Vorhang
Dietmar Herrmann, Wunsiedel

40 Jahre lang hatte während des Kalten Krieges eine streng bewachte Grenze mit Stachel-draht, Schießbefehlen, Hundelauf-Anlagen, Wachtürmen, Selbstschussanlagen, Minenfeldern und kilometerlangen Sperrzonen auf östlicher Seite Europa geteilt, man sprach vom Eisernen Vorhang. Die Länder beiderseits der Grenze entwickelten sich völlig unterschiedlich. Im Osten setzte sich der Sozialismus und Kommunismus durch, im Westen entwickelten sich demokratische Regierungsformen. Unsere Fichtelgebirgsregion lag eingekeilt zwischen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Norden und der Tschechoslowakische Republik (CSSR) im Osten – man nannte uns Grenzland. Die Grenzanlagen des Eiserne Vorhang zwischen Ungarn und Österreich wurde im Mai 1989 abgebaut, am 30. September wurde die Ausreisegenehmigung aus der Prager Botschaft verkündet und am 9. November 1989 fiel die Mauer in Berlin und damit die innerdeutsche Grenze. Auch die Tschechoslowakei baute ihre Grenzbefestigungsanlagen noch im Dezember 1989 ab. Ein Rückblick auf die Geschichte der Orte Mödlareuth im Landkreis Hof und Schirnding im Landkreis Wunsiedel soll an damaligen Ereignisse erinnern.

Mödlareuth
Landkreis Hof/Saale

Die Amerikaner nannten es »Little Berlin«, dieses 50-Einwohner-Dorf am Ende der Welt, das wie sein großer Bruder in Berlin zum Symbol der deutschen Teilung wurde. Blicken wir kurz in die territoriale Geschichte des Ortes. Im 16. Jahrhundert wurde der Tannbach, der durch Mödlareuth fließt, als Grenze zwischen der Markgrafschaft Bayreuth und der Grafschaft Reuß-Schleiz festgelegt. 1810 wurde daraus die neue Grenze zwischen dem König-reich Bayern und dem Fürstentum Reuß jüngere Linie. Auf die Bevölkerung wirkte sich diese Grenzziehung jahrhundertelang nur wenig aus. Es gab nur eine Schule und nur ein Wirtshaus, die sich im reußischen Teil von Mödlareuth befanden. Zur Kirche ging man in das benachbarte bayerische Pfarrdorf Töpen. 1945 kam Thüringen, zu dem das frühere Fürstentum Reuß seit 1920 gehörte, zur sowjetischen, Bayern hingegen zur amerikanischen Besatzungszone. Als dann 1949 das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik verabschiedet wurden, verlief durch den Ort die Grenze zwischen beiden deutschen Staaten.

1952 wurde durch DDR-Truppen mit dem Bau eines übermannshohen Holzbretterzaunes die Abriegelung der beiden Ortsteile eingeleitet. 1966 errichteten DDR-Grenztruppen eine 700 Meter lange, 3,40 Meter hohe Betonmauer quer durch den Ort, die bis 1989 das Dorf teilte. Über 37 Jahre war es nicht möglich, die Grenze zu über-schreiten, um von den einen in den anderen Ortsteil zu gelangen. In West-Mödlareuth herrschte starker Besucherandrang. Ost-Mödlareuth befand sich im 500-Meter-Schutzstreifen im sensibelsten Bereich der DDR-Grenzsicherung. Selbst grüßen oder winken über die Mauer hinweg von Ost nach West war damals verboten.

Nach der politischen Wende wurde am 9. Dezember 1989 ein Grenzübergang für Fußgänger geschaffen. Der Teilabriss der Mauer am 17. Juni 1990 bildete die Geburtsstunde des Deutsch-Deutschen Museums Mödlareuth. Der thüringische Teil des Dorfes Mödlareuth gehört heute zur Stadt Gefell im Saale-Orla-Kreis, der bayerische Teil zur Gemeinde Töpen im Landkreis Hof.



Ehemalige Grenzüberwachungs- und-befestigungsanlagen im Freigelände des Deutsch-deutschen Museum Mödlareuth,
Gemeinde Töpen.
www.museum-moedlareuth.de

Schirnding

Landkreis Wunsiedel i.F.

Das Fichtelgebirge hat die Form eines Hufeisens, das nach Nordosten offen ist. Wir wissen, dass es sich aber um keinen geschlossener Gebirgswall handelt. Eine Reihe von Sätteln und Mulden löst es in eine Anzahl einzelner Gebirgsstöcke auf. Da sind zunächst drei Sättel, die als Pässe für den Verkehr sehr wichtig waren.

Auf einer Altstraße fuhr man von Regensburg über Amberg, Kemnath, Reichenbach, Fahrenbach über den Wurmlohpass (653 m) nach Wunsiedel. Der Pass liegt in der Einsattelung zwischen Hoher Matze und der Großen Kösseine, heute verläuft dort die Staatsstraße Tröstau-Nagel. Der Höllpass (683 m) bot auf der Straße von Gefrees nach Weißenstadt die Möglich-keit des Fuhrverkehrs. Es war eine besonders wichtige Ost-West bzw. West-Ost-Verbindung zwischen dem fränkischen und böhmischen Raum, die da zwischen dem Schneebergmassiv und Waldstein hinzog. Über den Schiedapass (653 m) verlief die Straße von Gera, Hof und Schwarzen-bach/Saale und Martinlamitz nach Fahrenbühl und Niederlamitz und nahm damit die Einsattelung zwischen Waldsteinzug und Kornbergmassiv.

Als vierte Passlage kommt der „Pass von Schirnding“ hinzu, der geografisch gesehen eine anders geartete Passsituation darstellt wie die drei vorher genannten. Es handelt sich hier um die Röslau-Eger-Senke zwischen dem Steinberg und dem Kohlwald. Und es handelt sich hier um die Verlängerung der Straße Gefrees-Weißenstadt-Thiersheim-Schirnding, also um eine Pass-straße, die schon in vorgeschichtlicher Zeit als „Egerer Pforte“ genutzt wurde.

Nicht endgültig geklärt wurde die Frage, ob im Jahr 805 n. Chr. beim böhmischen Feld-zug Karls des Großen eine Heersäule durch das Fichtelgebirge geführt wurde und ob der Pass von Schirnding dabei die Übertrittschwelle in das Egerer Becken war. Der Ort Schirnding verdankt jedenfalls seine Entstehung und Entwicklung der wichtigen Stra-ßenverbindung. 1317 wird Schirnding erst-mals genannt, die Siedlung an der Röslaufurt bestand nach ältesten Aufzeichnungen aus der Burg mit Kapelle und sieben Urhöfen,

Die Grenze zwischen Bayern und Böhmen östlich von Schirnding ist eine der ältesten Grenzen Europas, geprägt durch eine beiderseits wechselvolle Geschichte der Länder. Einst herrschte reger Verkehr mit dem Egerland, man fuhr mit einer Kraftpostlinie zum Theater oder zum Einkaufen, zur Schule oder zum Facharzt. Mit der Eisenbahn fuhr man ab 1879 von Marktredwitz bis zur Landesgrenze bei Schirnding, ab 1883 von Schirnding bis Eger.
 
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde am 1. Juli 1952 der Übergang Zollamt Schirnding-Landstraße offiziell geschlossen, nachdem bereits im März 1949 die Straße unmittelbar an der Grenze am Scheitelteich in der gesamten Breite von den CSSR-Grenzbehörden aufgegraben worden war und mit einem Erdwall versperrt wurde. Die Wiedereröffnung des Straßenübergangs erfolgte am 15. September 1956.

Am 4. November 1989 wurden der Straßenübergang der B 303 bei Schirnding sowie der Schirndinger Bahnhof zum „Tor der Freiheit“. Die Tschechoslowakei hatte die Grenze für DDR-Flüchtlinge aufgemacht und so entwickelte sich ein enormer Einreiseverkehr von Trabis und Wartburgs. Bis zum 11. November reisten in Schirnding über 30.000 DDR Bürger mit dem Auto, dem Zug oder zu Fuß in die Bundesrepublik ein, was eine große Herausforderung für die Grenzorgane und die Schirndinger Bevölkerung war. Seit 1. Juli 1990 gibt es zwischen Deutschland und Tschechien keine Visapflicht mehr, für den Grenzübertritt genügt der Personalaus-weis und es gibt keinen „Pflichtumtausch“ mehr. Durch die Wiedervereinigung Deutschlands und die nachfolgenden Grenzöffnungen der Ostblockstaaten wurde Schirnding zu einem wichtigen Grenzübergang für den Reise- und Güterverkehr in Europa.



DDR-Flüchtlinge am 9. November 1989 am Bahnhof Schirnding.
Infos über den Grenzübergang Schirnding unter
www.grenzmuseum-schirnding.de


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