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Aus der 100-jährigen Geschichte
des Fichtelgebirgsmuseums in Wunsiedel

Dietmar Herrmann

Das Fichtelgebirgsmuseum in Wunsiedel zählt zu den größten bayerischen Regionalmuseen. Es lässt in musealer, didaktischer und geschichtlicher Hinsicht keine Wünsche offen. Das Ausstellungsgut zeigt Funde aus der Vor- und Frühgeschichte, Gegenstände aus Handwerk, Industrie und Handel des nordostbayerischen Raumes (Oberfranken/Oberpfalz/Egerland). Besonders beeindrucken die Möbelsammlung und die Ausstellungsgegenstände der bäuerlichen und bürgerlichen Wohnkultur aus Zinn, Keramik und Porzellan. Weitere Themengebiete in den verschiedenen Räumen sind Zunftwesen, Militaria, Jagd, Verkehr, Kinder- und Spielwelten, Krippen. Eine große Sammlung gibt Einblicke in die Erdgeschichte und den Bergbau der Region, die Mineralien in den Vitrinen begeistern nicht nur Geologen. In Werkstätten (Töpfer, Schmied, Zinngießer) wird alte Handwerkskunst vorgeführt; ein Museums-Cafe lädt zum Verweilen ein. Ferner steht eine große Regional-Bibliothek als Präsensbibliothek zur Verfügung. Gut besucht sind Sonderausstellungen und Veranstaltungen im überdachten Museumshof. Untergebracht ist das Fichtelgebirgsmuseum, das von einer wissenschaftlichen Fachkraft geleitet wird, in historischen Gebäuden, was den Denkmalschutz unterstreicht.

Geschichte

Am 8. Januar 1907 wurde in einer Ausschusssitzung des Fichtelgebirgsvereins (FGV) in Wunsiedel von Apotheker Dr. Albert Schmidt die Anregung gebracht, in Wunsiedel ein Fichtelgebirgsmuseum zu gründen, denn der Wanderverkehr habe stark zugenommen. Es wäre auch sehr notwendig, altes Volksgut, das mehr und mehr verschwinde, zu retten. Eine Eingabe an die Stadt Wunsiedel vom 30. März 1907 auf unentgeltliche Überlassung des ersten Stockwerkes im Alten Lyzeum (Jean-Paul-Platz 1) wurde positiv beantwortet. In der FGV-Hauptversammlung am 1. Dezember 1907 in Schwarzenbach/Saale wurde das Projekt genehmigt, ein erstmaliger Zuschuss von 200 Mark bewilligt und die Satzung des Heimatvereins dahin gehend geändert, dass „durch die Schaffung eines Museums die Kenntnis des Fichtelgebirges in naturwissenschaftlicher, historischer und topographischer Hinsicht zu fördern.“ Dr. Albert Schmidt erhielt den Auftrag, das Museum einzurichten.

Mittlerweile hatte eine rege Sammeltätigkeit eingesetzt und durch einen Aufruf vom 22. Januar 1908 schaltete sich auch fördernd die Presse ein. 600 Gegenstände waren bereits zusammengekommen, als am 15. November 1908 das Fichtelgebirgsmuseum seine Pforten für die Öffentlichkeit öffnete. Dr. Schmidt und Realienlehrer Karl Drechsel übernahmen die Museumsverwaltung, als erster Wärter wurde Schneidermeister Heinrich Timper mit einer jährlichen Vergütung von 100 Mark angestellt.

Nach zwei Jahren Sammeltätigkeit befanden sich im Fichtelgebirgsmuseum bereits 1000 Exponate aus Haushalt, Gewerbe und Industrie, sodass die Räume im ersten Stock nicht mehr ausreichten. Hinzugewonnen wurde nun das Erdgeschoss des Alten Lyzeums, das früher als Aula gedient hatte, danach aber als Holz- und Kohlenlager fungierte und erst für Museumserweiterung mit einem Kostenaufwand von 3000 Mark hergerichtet werden musste. Hoher Besuch hatte sich für den 2. Juli 1910 angekündigt: Generalfeldmarschall Prinz Leopold von Bayern, Regierungspräsident von Brenner, Oberbürgermeister Dr. Casselmann aus Bayreuth, Bezirksamtmann Brunner und Bürgermeister Heß aus Wunsiedel.

Der 1. Weltkrieg brachte einen gewissen Stillstand in das sonst so betriebsame Museumsgeschehen, eine Wärtersfrau hütete das Museumsgut. 1915 wurde Karl Drechsel beruflich versetzt, am 20. September 1918 verstarb Dr. Albert Schmidt; das Museum hatte damit zwei seiner besten Leute verloren.

Im Jahr 1922 erklärte sich der heimatkundlich und als Mineraloge sehr versierte Oberlehrer Georg Gebhardt zur Übernahme der Museumsarbeit bereit. Aufgrund seiner Initiative konnten wieder viele Neuzugänge verzeichnet werden, sodass die Räume bald wieder zu eng wurden. Durch das Entgegenkommen der Stadt Wunsiedel wurde nun das Dachgeschoss des Lyzeumsgebäudes entsprechend ausgebaut. Im Juni 1926 erfolgte die Neuaufstellung der Bestände in fachmännischer Weise durch Beamte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalspflege, durch Hauptkonservator Karl Voraus. Konservator Dr. Ritz und Oberpräparator Alfred Baumann. 1928 wurde als Wärter Ernst Nürnberger eingestellt, dessen Ehefrau führte ebenfalls durch die Sammlung. Es war damals die Zeit, als wanderlustige Sachsen und Sudetenländer ins Fichtelgebirge kamen und auch das Museum besuchten.

Ab Juni 1929 bis 1934 fungierte Walter von Stokar als Museumsverwalter, er betrieb die Apotheke des Großvaters Dr. Schmidt. Er betätigte sich besonders auf literarischem Gebiet, studierte Vorgeschichte in Berlin und wurde an die Universität Köln berufen. Am 5. Juni 1934 wurde dann Kaufmann Wilhelm Müller zum Leiter des Museums berufen. Damit begann eine langjährige Ära eines Mannes, der seine Tatkraft viele Jahrzehnte zum Wohle des Heimatmuseums einsetzte. Unter seiner Leitung erhöhten sich die Exponate auf 4700. Besonderes Augenmerk legte Müller auf den Ausbau der Bibliothek, die heute Heimatforschern, Studenten, Diplomanden und Doktoranden als wichtige Informationsquelle dient. Die große bäuerliche Möbelsammlung findet auch in unserer modernen Zeit höchste Anerkennung.

Die Bestände des Museums konnten erfreulicher Weise über die Jahre des 2. Weltkriegs hinweggerettet werden. Nach den notwendigen Instandsetzungsarbeiten wurde das Museum am 1. Juli 1947 wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 1952 wurde auf Anregung der FGV-Hauptvorstandschaft ein Museumsbeirat gebildet werden, dem der Wunsiedler Bürgermeister, der FGV-Hauptvorsitzende, Gewerbelehrerin Charlotte Lowack, der Grafiker Hausmann, Fabrikbesitzer Rudolf Ley, Apotheker Wolfgang Proepst  und Direktor a.D. und Bildhauer Arthur Sansoni angehörten. 1958 verstarb nach 30-jähriger Wärtertätigkeit Ernst Nürnberger, der es bestens verstanden hatte, in einer eigenen und belustigenden Art die Begeisterung für das Museum bei Alt und Jung zu wecken. Das Ehepaar Ernst und Jette Fischer wurde für die Museumstätigkeit angestellt und es muss festhalten werden, dass man damit einen guten Griff tat.

Schon bald waren auch die Räume des Alten Lyzeums „ein bis in die letzten Winkel eingelagertes Magazin, ein Depot, das aus Raummangel nicht einmal mehr eine systematische Lagerung zuließ“, wie der bekannte Heimatforscher Dr. Zeh aus Rehau seinerzeit schrieb. Die Raumnot bedrückte nicht nur den Fichtelgebirgsverein als Eigentümer des Museums, sondern auch die Stadt Wunsiedel, in deren Mauern das Museum auch in Zukunft bleiben sollte. Viele Pläne zur besseren Unterbringung wurden diskutiert und wieder verworfen. Als einziger Ausweg blieb schließlich nur noch der Gedanke, einen Tausch in der Form durchzuführen, dass das Sigmund-Wann-Stift das Fichtelgebirgsmuseum aufnimmt, die Hospitalinsassen dafür in den umzubauenden Räumen das Alten Lyzeums untergebracht werden. Das Landesamt für Denkmalspflege und die Stiftungsbehörde gaben für die Pläne ihre Zustimmung. Es zeichnete sich auch ab, dass der Fichtelgebirgsverein oder die Stadt Wunsiedel alleine die Trägerschaft für ein neu zu schaffendes Museum nicht übernehmen konnte, sondern dass dies nur durch einen Zweckverband möglich sei.

Mit Wirkung vom 1. März 1962 wurde der „Zweckverband Fichtelgebirgsmuseum“ gegründet, dem die Landkreise Wunsiedel und Rehau sowie die Städte Selb, Wunsiedel und Marktredwitz angehörten. Der Fichtelgebirgsverein konnte aus rechtlichen Gründen nicht Mitglied des Zweckverbandes sein, er war jedoch durch einen Beirat vertreten. Der FGV brachte sein gesamtes Museumsgut als Leihgabe in den Zweckverband ein und erhöhte seinen jährlichen Förderbeitrag auf 1000 Mark.

Im Spätherbst 1961 begann Museumsleiter Müller mit dem Wärterehepaar Fischer das Museumsgut zu verpacken und auszulagern. In der Zwischenzeit wurden die oberen Räume des Alten Lyzeums in moderne Zimmer mit sanitären Einrichtungen umgebaut, sodass sich die Heiminsassen im neuen „Altenheim“ nach ihrem Umzug recht wohlfühlen konnten. Im Sigmund-Wann-Stift konnte nun mit den Um- und Ausbauarbeiten der desolaten Gebäude begonnen werden. Eine architektonische Lösung wurde gefunden, die den ursprünglichen Charakter der Gebäude so wenig wie möglich antastete. 48 Firmen waren an den Baumaßnahmen beteiligt, die 340.000 DM kosteten. Nebenher lief die Restaurierung schadhaften Museumsgutes, die Arbeiten des Ein- und Aussortierens überwachte das Landesamt für Denkmalspflege, das auch hinsichtlich der Unterbringung und Aufstellung der Gegenstände mit Rat und Tat zur Seite stand. Am 5. Juni 1964 wurde unter Beteiligung zahlreicher prominenter Persönlichkeiten im großen Saal des Wunsiedler Rathauses das neue Fichtelgebirgsmuseum mit einem imposanten Festakt eröffnet. Danach folgte ein Rundgang durch das Sigmund-Wann-Stift, durch die Räume des neuen Museums.

Es war von Anfang an der Wunsch aller Beteiligten, den Frauentrakt, der auf der Nordseite des Museumskomplexes liegt, für die Gesteins- und Mineraliensammlung auszubauen. Am 23. Juni 1967 konnte nach mühevollem Sichten, Reinigen, Ordnen und Beschriften die geologisch-mineralogisch wertvolle Sammlung der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Den Grundstock der Sammlung verdanken wir Dr. Albert Schmidt. Durch Stiftungen, vor allem aus dem Nachlass von Prof. Kissenberth, erfuhr die Sammlung eine wesentliche Bereicherung. Rektor Friedrich Müller richtete die Sammlung hervorragend ein. Der Gang durch die Erdgeschichte des Fichtelgebirges findet ein beachtliches Echo in der Fachliteratur und lockt jährlich viele Mineralogen, Petrographen, Tektoniker und Geologen ins Fichtelgebirgsmuseum.

Ein neuer Abschnitt in der Museumsgeschichte begann 1979 mit dem Beschluss der Zweckverbandsversammlung unter Vorsitz von Landrat Christoph Schiller, das Heimatmuseum wesentlich zu erweitern und Frau Dr. Renate Lotz als hauptamtliche Museumsleiterin einzustellen. Mit dem Kauf der Gebäude rund um den Museumshof wurde die Grundlage für Um- und Erweiterungsbauten geschaffen. Nach umfangreichen Planungsarbeiten konnte 1985 bis 1990 der Museumstrakt um die Nachbarhäuser Spitalhof 3 und 5 und um das Haus Sigmund-Wann-Straße 37 erweitert werden. (Kosten 4 Millionen Euro). Am 1. Mai 1990 übernahm Landrat Dr. Peter Seißer den Vorsitz im Zweckverband Fichtelgebirgsmuseum. Ab dem Jahr 2000 begann dann eine erneute und abschließende Erweiterung um die westlich angrenzenden Häuser Sigmund-Wann-Straße 33 und 35. (Kosten 2 Millionen Euro). Dadurch wuchs die Ausstellungsfläche auf 2500 qm an. Bei den Umbaumaßnahmen im Haus Nr. 33 konnte bei Ausgrabungsarbeiten erstmals eine Werkstatt zur Weißblechherstellung nachgewiesen werden. Das Handwerk der „Blechverzinner“ gab es in Wunsiedel nachweislich schon im 14. Jahrhundert, als Eisenbleche mit einer Zinnlegierung überzogen wurden. Sigmund Wann war damals einer der reichsten Handelsherren, der mit verzinntem Eisenblech handelte und so zu großem Wohlstand gelangte. In seinen Stiftungsgebäuden befindet sich heute das Fichtelgebirgsmuseum.

Literatur:

Reynst, Elisabeth: Das Fichtelgebirgsmuseum in Wunsiedel; Die bayerischen Heimatmuseen, Band VI/1973
Plitek, Karl-Heinz: Fichtelgebirgsmuseum – Begleitheft zu den Abteilungen, Wunsiedel 1998
Mehrere Aufsätze in Fachzeitschriften und in der Zeitschrift des Fichtelgebirgsvereins „Der Siebenstern“
Anschrift des Museums:
Fichtelgebirgsmuseum, Spitalhof 1, 95632 Wunsiedel, Telefon: 09232/2032, e-Mail: info@fichtelgebirgsmuseum.de; Internet: www.fichtelgebirgsmuseum.de

Öffnungszeiten des Museums:

Dienstag bis Sonntag 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr

Zweckverband Fichtelgebirgsmuseum:

Mitglieder des Zweckverbandes Fichtelgebirgsmuseum sind der Landkreis Wunsiedel i. Fichtelgebirge und die Stadt Wunsiedel. Diese entsenden in die Verbandsversammlung ihre Vertreter (Landkreis 4, Stadt Wunsiedel 3). Zusammen mit dem Landrat als Verbandsvorsitzenden und dem Bürgermeister als stellvertretenden Verbandsvorsitzenden besteht das Gremium also aus neun stimmberechtigten Mitgliedern.
Der Verbandsversammlung gehört auch der Museumsbeirat an, der beratend tätig ist, aber nicht stimmberechtigt. Der Beirat besteht aus je einem Vertreter der Großen Kreisstädte Selb und Marktredwitz, des Fichtelgebirgsvereins, des Fördervereins und aus dem Kreisheimatpfleger, also aus fünf Personen.

Anschrift des Verfassers:
Dietmar Herrmann, Friedrich-Meinel-Straße 26, 95632 Wunsiedel; Referent für Heimatgeschichte und Museen im Fichtelgebirgsverein e.V., e-Mail: info@bayern-fichtelgebirge.de, www.bayern-fichtelgebirge.de

 

100-Jahr-Feier des Fichtelgebirgsmuseums
Dietmar Herrmann
Am 11. April 2008 fand die eindrucksvolle Jahrhundertfeier in den Räumen des Museums statt, Zweckverbandsvorsitzender Dr. Seißer konnte hierzu viele Gäste aus Politik, ehemalige Mitarbeiter, Mitglieder des Fördervereins und des Fichtelgebirgsvereins begrüßen. Sein besonderer Gruß galt Frau Runhilde Laubmann, der Urenkelin des Museumsgründers Dr. Albert Schmidt. Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Günter Dippold ging in seinem Festvortrag besonders auf die Hintergründe der damaligen Museumsgründungen ein wobei er besonders herausstellte, dass es sich beim Fichtelgebirgsmuseum um kein herkömmliches Heimatmuseum handelt, sondern von Anfang an um ein Regionalmuseum. Museumsleiter Dr. Plitek erläuterte anschließend die wissenschaftliche Arbeit des Museums und die Ausstellung zum Jubiläum. Oberfrankens Regierungspräsident Wilhelm Wenning sowie Bürgermeister Karl-Willi Beck lobten die Museumsarbeit und FGV-Hauptvorsitzender Dr. Helmut Reinel nochmals aus der früheren Museumsgeschichte. Hier einige Bilder von der Jubiläumsveranstaltung:

 

 

 


Gründer des Fichtelgebirgsmuseums:
Dr. Albert Schmidt aus Wunsiedel

 

 
 Im Alten Lyzeum, Jean-Paul-Platz 1
War ab 1908 des Fichtegebirgsmuseum untergebracht

 
  Museumsgebäude ab 1964:
Sigmund-Wann-Straße 33 bis 37, Spitalgäude

 


 Im Museumsinnenhof,
links der Frauentrakt mit
Mineraliensammlung, Werkstätten
und Museums-Cafe

Bilder aus den Ausstellungsräumen:

 

 

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