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Von den Ochsenkopf-Sagen
Verfasser: C. Heider

A. Sagen und ihre Bedeutung in heutiger Zeit

Bücher, Kino- und TV-Filme berauschen unsere Welt, um uns zu unterhalten. Aber davon bleibt wohl nichts für die Ewigkeit in unseren Köpfen und Gedanken. Filme werden gesehen und meist nach ein paar Jahren wieder vergessen, egal welch ein großer Medienrummel im Vorfeld darüber herrscht. Selten gibt es Filme, die nach 10 Jahren noch gesehen werden. Bücher werden gelesen und bleiben dann meist den Rest der Zeit im Regal stehen und verstauben. Dies sollte man nicht verallgemeinern, es stellt jedoch meist den Regelfall dar. Eines aber scheint nie auszusterben – die Sage. Heldensagen, wie die von Siegfried und den Nibelungen, wurden schon vor Jahrhunderten erzählt und erst nach langer Zeit erstmals aufgeschrieben. Selbst heute gibt es noch Menschen, die fest an den Schatz im Rhein glauben, den Hagen der Sage nach dort versenkte. Vor allem aber sind es immer wieder die Volkssagen, Sagen der Heimat, die bereits Kinder im Grundschulalter verzaubern und begeistern können. Auch mit dem Alter geht der Reiz, der von den geheimnisvollen Geschichten ausgeht, nicht verloren und immer wenn jemand anfängt, eine Sage zu erzählen, findet er stets ein offenes Ohr bei seinen Zuhörern. Sagen sind aber nicht nur unterhaltsam, sie haben einiges mehr zu bieten, als nur die Gänsehaut für den Moment. Ich möchte daher in meiner Facharbeit näher auf Bayreuths lokale Sagen und deren historische Hintergründe eingehen. Speziell werde ich im kommenden Text die Sagen rund um den Ochsenkopf, dem Wahrzeichen des Fichtelgebirges, analysieren. In dieser Arbeit soll nur ein Auszug dessen gegeben werden, was dieser Berg an Sagen und Geheimnissen in sich birgt, weshalb ich nur auf die wichtigsten und bekanntesten Motive eingehen möchte. Um den folgenden Text besser zu verstehen empfiehlt es sich, vorher die Sagen im Anhang zu lesen.

B. Analyse einer Auswahl der Ochsenkopfsagen und deren historischen Hintergründe

I. Über Sagen allgemein

Bevor ich die Analyse der Ochsenkopfsagen und deren historische Hintergründe aufführe, möchte ich zuerst noch auf Sagen im Allgemeinen eingehen. Darauf, was Sagen überhaupt sind, wie sie sich entwickelt haben und wie sie bis heute erhalten blieben.
Der Begriff Sage (von: das Gesagte) wurde von den Gebrüder Grimm geprägt, die zwischen 1816 und 1818 ihre zwei Bände „Deutsche Sagen“ veröffentlichten. Sagen sind „mündlich überlieferte Erzählungen einer für wahr gehaltenen oder auf einem wahren Kern beruhenden Begebenheit.“  Mit der Zeit werden Sagen immer weiter verändert, indem ein Erzähler einen Teil weglässt, hinzufügt oder verändert. Oftmals sind Motive und Stoffe einer Sage in mehreren Ländern und Kulturen anzutreffen; man spricht von einer Wandersage. Dennoch sind solche Wandersagen meist an lokale Gegebenheiten (z.B. die Kirche im Ochsenkopf) angepasst um die Glaubwürdigkeit aufrecht zu erhalten. Im deutschen Sprachgebrauch sind Sagen immer Erzählungen, die etwas Sonderbares in sich bergen und bis in das Metaphysische hineinreichen. In der Regel liegt ihre Basis aber „in der nahe liegenden Lebenswirklichkeit oder in der Geschichte“ , weshalb Sagen einen höheren Realitätsanspruch als Märchen haben. Sagen sollen meist belehren, mahnen, warnen oder erklären.
Heutzutage werden Sagen gerne als „nette“ Geschichten betrachtet. Diese Bezeichnung aber betitelt die Volkssage weit unter ihrem Wert. Es handelt sich bei ihr meistens nicht um frei erfundene Geschichten ohne Hintergrund, im Gegenteil. Die Sage, vor allem die Volkssage, gibt uns Einblicke in das Denken und Empfinden der Menschen im Mittelalter und der frühen Neuzeit. Freilich darf man nicht alles, was man in den Sagensammlungen so lesen kann, wörtlich hinnehmen.
Um die Entstehung von Sagen besser verstehen zu können ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass wir heute in einer wissenschaftlichen Welt leben. Dies bedeutet, dass alles, was der Mensch nicht weiß oder was neu für ihn ist, untersucht und sachlich erklärt wird. Gerade dieses rationale Denken existierte im Mittelalter und der frühen Neuzeit noch nicht. Für die Menschen war eine Trennung von Realität und Fiktion, Wissen und Glauben nicht immer möglich, da die Grenzen oft zu verschwimmen schienen, oder gar nicht vorhanden waren.  Durch die Sagen versuchte man Erklärungen für das Rätselhafte zu geben. Erst mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert appellierten Philosophen und Gelehrte an die Vernunft. Spekulation und Phantasie wurden ersetzt durch Empirismus und Rationalismus als Grundlagen des Denkens, um eine geordnete Welt aufzubauen. Bis dahin herrschte in den Köpfen der Bürger eine fast schon kindliche Naivität (ohne dies negativ bewerten zu wollen), die versuchte, unerklärliche Geschehnisse im Gewand der Sage begreiflich zu machen. „Die Aufklärung hat einen bedeutenden Bruch verursacht, der uns Heutige von mythischer Weltsicht unwiderruflich trennt.“  Viele Sagen können daher heute auch als aussagekräftige Quellen für die Wissenschaft und die Heimatforschung angesehen werden, auch wenn dies in manchen Kreisen stark umstritten ist.
Weniger das Historische als vielmehr das Mystische und Rätselhafte machte im 19. Jahrhundert die Romantiker auf die Sagen aufmerksam. Die Gebrüder Grimm waren eine der Ersten, die Sagen und Geschichten sammelten und lösten damit eine wahre Renaissance der Sagen aus. Das Wort Romantik lässt sich von Roman ableiten, was soviel wie phantastisch, abenteuerlich und unrealistisch bedeutet. Daran wird kenntlich, warum die Romantiker so an diesen heimat- und volkskundlichen Erzählungen interessiert waren. Viele Sagen erklären phantastische Naturerscheinungen, andere erzählen von kleinen helfenden oder bösen Geistern und Kobolden, wieder andere vom großen Glück, das ein Mensch vielleicht findet. All diese Motive passten in das Weltbild der Romantiker, die Gottes herrliche Natur verehrten, das Geheimnisvolle liebten und gerne in Herzschmerz und Melancholie verfielen. Immer sich nach einer anderen Welt sehnend, in der das Traumhafte Wirklichkeit wird.

II. Die Ochsenkopfsagen

1. Der Ochsenkopf

Der Ochsenkopf ist der bekannteste Berg Oberfrankens und des Fichtelgebirges. Er liegt etwa 20 Kilometer (Luftlinie) nordöstlich der oberfränkischen Regierungsstadt Bayreuth und ist mit seiner Höhe von 1024 Metern üNN  der zweithöchste Berg des Fichtelgebirges. Das Fichtelgebirge liegt im Nordosten Bayerns und zählt zu den deutschen Mittelgebirgen. Es bildet den Schnittpunkt von Thüringer Wald, Oberpfälzer Wald und Erzgebirge. Das Gebirge besteht aus einem nach Norden geneigten Schieferplateau, welchem Granitkuppen aufgesetzt sind; so auch dem Ochsenkopf.  Außerdem entspringen am Ochsenkopf mehrere Flüsse und Bäche. Die bekanntesten sind die Fichtelnaab, die Steinach (bestehend aus Warmer und Kalter Steinach) und der Weiße Main, welcher nach seinem Zusammenfließen mit dem Roten Main (bei Kulmbach) als Main in den Rhein und letztlich in die Nordsee mündet. Außerdem verläuft auch die Europäische Wasserscheide  durch das Fichtelgebirge und in der Nähe des Ochsenkopfes entspringen mehrere Flüsse, die die großen Ströme Rhein, Elbe nach Norden und die Donau nach Süden hin speisen.
Das Gebiet um den Ochsenkopf gilt als Erholungsgebiet und so finden sich in den umliegenden Orten Warmensteinach, Heilluftkurort Bischofsgrün, Oberwarmensteinach und Fichtelberg (mit Neubau) zahlreiche Hotels, Schwimmbäder und andere Freizeiteinrichtungen. Auch der Fichtelsee zieht Sommer wie Winter zahlreiche Besucher an. Der Ochsenkopf selbst ist für seine zwei Seilschwebebahnen, die Wintersportmöglichkeiten (Skisprungschanze, Abfahrten und Loipen) und die Sommerrodelbahn bekannt. Mit seinem 1957/58 erbauten und 176,5 Meter hohen Fernseh-Sendeturm des Bayerischen Rundfunks prägt der Berg das Bild des Fichtelgebirges und ist schon aus der Ferne unverkennbar.  
Früher war der Ochsenkopf als „der Hohe Vichtelberg“ oder auch Fichtelberg bekannt . Der Name Ochsenkopf wurde 1491 erstmals in einer Urkunde erwähnt, die die Leihgabe „für ein Bergwerk auf dem Fichtelberg bei dem Ochselnkopf“  verzeichnet. Das beschriebene Bergwerk ist allem Anschein nach das so genannte Schneeloch, ein inzwischen eingestürzter Stolleneingang, in dessen unmittelbarer Nähe das Bild eines Stier- oder Ochsenkopfes in eine Felsgruppe gemeißelt ist (siehe Bild).
Den Aussagen der Urkunde zu Folge wurde bereits im 15. Jahrhundert die Gipfelregion nach dem Tierkopf benannt. Im Verlauf der Jahre übertrug sich der Name Ochsenkopf dann auf den gesamten Berg. Bis heute ist die Herkunft des Namens nicht eindeutig geklärt, es existieren aber verschiedene Theorien. So berichtete 1692 der Pfarrer von Creußen, Magister Will, einer der ersten Beschreiber des Ochsenkopfes, in seinem Werk „Fichtelbergische teutsche Paradeiß“, dass „die äußerliche Gestalt des Berges angesehen, […] einem in der Ruhe liegenden Ochsen so gar ungleich nicht ist“ . Auch könnte der in Stein geschlagene Tierkopf ein Symbol für den slawischen Gott Radegast sein, dem vielleicht auf dem Berge geopfert wurde. Angeblich verlief nämlich die Grenze zwischen den Franken und den Slawen einst über den Ochsenkopf. So berichtet auch eine Sage über eine Friedensstiftung am Fichtelberg. Die slawischen Wenden, aber auch die Franken, opferten auf dem Berge ihren Göttern, weshalb sich in diesem Gebiet Kämpfe und Feindschaft zwischen den beiden Völkern entwickelten. Schließlich hätten ein Frankenfürst und eine slawische Königstochter sich auf dem Berg kennen und lieben gelernt. Bei ihrer Hochzeit wurde auf dem Berg ein großes Fest gefeiert und Frieden zwischen den Völkern geschlossen, zu dessen Erinnerung der wendische König einen Stierkopf in den Stein schlagen lies. Eine andere Sage wiederum erzählt, dass früher an den Hängen des Berges Ochsen und Kühe weideten. Ein hiesiger Bauer hätte einst einen Ochsen verloren und erst Jahre später fand man dessen abgenagten Schädel. Zur Erinnerung meißelte man dann das Bild in den Stein. Am wahrscheinlichsten erscheint jedoch die Theorie, dass der Tierkopf ein Zeichen der Alchemisten ist , denn in den Bergwerken am Ochsenkopf wurde Gold, Silber Zinn, Eisen, aber auch Quecksilber abgebaut.  Die Alchemisten ordneten dem Planeten Merkur Quecksilber zu.  Das Symbol für Merkur sieht einem Stierkopf recht ähnlich (siehe rechts). Da das Ochsenbildnis bereits vor mehr als 400 Jahren genannt wurde, ist davon auszugehen, dass der Stein im Laufe der Zeit verwitterte. Bei einer Nachbearbeitung des Bildes wurde dann vielleicht ein Ochsenkopf hineininterpretiert. Also könnte der Ochsenkopf im Stein vielleicht ursprünglich ein bergmännisches Kennzeichen für Quecksilberfundstellen gewesen sein. Neben dem Stein beim Schneeloch (ca. 200 Meter nordwestlich des heutigen Asenturmes) beschrieb bereits Will zwei weitere Steine mit Ochsenkopf-Bildern. Einer steht im Wald am Fuße des Berges bei Neubau, ein weiterer war schon zu Wills Zeiten als umgestürzt bekannt und galt bis vor kurzem als verschollen. Erst im Oktober 2003 wurde die umgefallene Säule wieder entdeckt, nachgezeichnet und aufgerichtet.  Sie befindet sich ca. 50 Meter vom Schneeloch Hang abwärts, direkt unter der heutigen Seilbahn. Wie auch immer das Abbild in den Stein gelangte, es gilt als ziemlich sicher, dass das Ochsenkopfbildnis in der Felsgruppe am Schneeloch ausschlaggebend für den heutigen Bergnamen war.
Kaum ein anderer Berg in Oberfranken birgt einen derart reichen Sagenkreis wie der Ochsenkopf. Berge zeigten dem Menschen schon immer auf, dass er nur ein kleines Wesen in der Schöpfung ist. Seit je her reizt es den Menschen, Berge zu erklimmen. Ging es früher einfach darum, den Göttern bei der Opferung so nahe wie möglich zu sein, so ist es heute eben die Naturgewalt und die Herausforderung, welche extreme Bergsteiger in Hochgebirge lockt. Ein Berg wirkt mächtig und groß und so ist es nicht verwunderlich, dass sich gerade um jeweils die größten Berge einer Region Sagen und Geschichten ranken. Für die Oberfranken galt ihr Vichtelberg auch lange als höchste Erhebung der Region. Erst vor rund 200 Jahren stellte man mittels modernerer Messmethoden fest, dass der benachbarte Schneeberg mit 1051 Metern - wenn auch nur geringfügig - höher ist.
Ein wesentlicher Aspekt für die Mystik des Ochsenkopfes ist sein „edles Eingeweid“ . Denn wie an vielen Orten im Fichtelgebirge wurden auch am Ochsenkopf verschiedene Erze abgebaut.
So entstand auch ein ganzer Sagenkreis um die Venezianer (auch Walen genannt), die jedes Frühjahr den weiten Weg aus dem Süden auf sich nahmen und in Bergwerken und Bächen des Fichtelgebirges nach besonderen Steinen schürften. Nicht nur auf Gold, Silber und andere Edelmetalle hatten die Südländer ihr Augenmerk gerichtet, sie waren vor allem auf der Suche nach bunten Steinen, die in den Glasmanufakturen von Venedig und Murano, die heute noch existieren, zum dauerhaften Färben von Glas verwendet wurden. Da diese Steine, wie z.B. Kobalt, in Italien sehr selten sind, wurden sie etwa so hoch bezahlt wie Gold.  Herberge fanden die Venezianer oft bei einfachen Leuten in Bischofsgrün und näherer Umgebung. Das Auftauchen der Fremdlinge blieb nicht unbemerkt und in Sagen wird oft über die Eigenarten der Italiener berichtet. So forderte einer, der regelmäßig zu Gast im Fichtelgebirge war, von seinen Gastgebern, dass sie niemals seine Stube betreten sollten. Meist waren die Walen von früh bis spät auf der Suche in Bächen und Bergen und durch ihr fremdländisches Erscheinungsbild, ihre kleinen Walenbüchlein, in denen sie ihre Fundstellen notierten und ihre alchemistischen Kenntnisse wirkten sie zweifelsohne sonderbar auf die Einheimischen. Der Erfolg der „Venediger“  beim Suchen dieser Fichtelgebirgsschätze bestätigte die Einheimischen in ihrem Misstrauen. Einen Hinweis darauf liefert Caspar Brusch(ius), der zweite Beschreiber des Ochsenkopfes, der in seiner „Gründlichen Beschreibung des Fichtelbergs“ 1542 über die Walen berichtete, dass sie „pflegen sich zu berühmen, die Schätz unnd Reichthumb, so in des Teudschen Landes Gebürgen verborgen ligen, seind ihnen (so sie doch Frembdling sind) bekannter denn uns Teudschen selbst.“  Und auch die Bezeichnung der Fremdländischen als „welsche“ ist ein wichtiges Indiz für die Missgunst der Einheimischen gegenüber den Gästen, da mit dem Wort „welsch“ Italiener oder Franzosen in meist abwertender Bedeutung gemeint sind.  
Um im Herbst auf ihrem Rückweg in die Heimat nicht zwecks ihrer wertvollen Fracht überfallen zu werden, ist oft zu lesen, dass sich die Venezianer als Mausefallenverkäufer und Hausierer verkleideten. In der Sage vom welschen Gast, in der ein Bauer nach einem Brand Hilfe bei seinem ehemaligen Stammgast in Venedig sucht, lebt dieser dort in Reichtum, den er sich mit den im Fichtelgebirge geschürften Materialen erworben hatte. Und die Sage über den Welschen vom Ochsenkopf erzählt, „daß der Fremde gar geheimer Künste mächtig sei“ , und unter anderem die Zeit verrücken könne.
Wir leben heute in einer Zeit, in der es kein Problem mehr darstellt, innerhalb weniger Stunden in ferne Länder zu reisen. Im späten Mittelalter jedoch – zu dieser Zeit waren die Venezianer bewiesenermaßen im Fichtelgebirge  – kam ein einfacher Dorfbewohner vielleicht noch nicht einmal aus dem Fichtelgebirge heraus, geschweige denn nach Italien oder in ein anderes Land. Das fremde Aussehen und Gehabe hinterließen bei den Einheimischen einen bleibenden Eindruck. Später, als der Bergbau im Fichtelgebirge verbessert werden sollte, wurden auch Venezianer als Spezialisten geholt, die dann eine soziale Sonderstellung besaßen. Die Einheimischen waren sicherlich neidisch und beobachteten das Ganze mit viel Argwohn. Aufgrund der Unkenntnis und der Rätsel um der Welschen Treiben bildete sich ein ganzer Sagenkreis über das Volk aus der Lagunenstadt.
Ähnliche Gründe gelten auch für die Bildung von Zwergensagen. Die bekannteste der wenigen Sagen dieser Form vom Ochsenkopf ist die von den drei Goldlaiblein, die ein Zwerg drei Tiere hütenden Kindern schenkt. Will man der Geschichte etwas Historisches abgewinnen, so darf man hier nicht wirklich an ein Treffen mit einem Zwerg glauben. Vielmehr gab es – sofern etwas Ähnliches jemals passiert ist – vielleicht einen Venezianer, der den Kindern eine Freude machen wollte und deshalb etwas Wertvolles im Brot versteckt hatte. „Es ist offenbar ein durchgängiges Kennzeichen „historischer“ Volkssagen, daß […] frühere  Beziehungen zu anderen gentilen Verbänden […] in der Sage unter dem Bild des Zwerges erscheinen können.“  In einer älteren Untersuchung wurde auch über ein eventuelles Auftauchen der Römer als Zwerge in der deutschen Literatur spekuliert.
Hauptmotiv fast aller Sagen, die sich um den Ochsenkopf drehen, ist die Kirche oder das Schloss im Berg, das mit Gold, Silber und anderen Schätzen reich gefüllt sein soll. Stets am Johannistag ist es dem Menschen möglich, in die unterirdischen Schatzanlagen zu gelangen. Oft wird dazu noch eine Zauberblume benötigt, die nur am Johannitag wächst und gepflückt werden kann. Wer den Eingang in den Berg findet, darf sich aller Schätze dort bedienen, sofern er sie tragen kann und nicht die Frist verstreichen lässt. Während in den einen Sagen der Eingang nachts oder in den Abendstunden zu finden ist, berichten andere von der Mittagsstunde. In mehreren Sagen ist verzeichnet, dass der Berg nur zu betreten ist, so lange der Pfarrer in der Kirche von Bischofsgrün das Evangelium von der Kanzel liest. Ist die Zeit um, so schließt sich der Berg wieder und wer sich bis dahin nicht entfernt bleibt bis zum nächsten Johannestag im Berg eingeschlossen, wo er sich aber nicht seines Lebens fürchten muss (Entrückungssage). Manch einem Warmensteinacher oder Bischofsgrüner mag es vielleicht tatsächlich einmal so ergangen sein, dass er zufällig in eine Höhle oder stillgelegte Mine am Ochsenkopf geriet. Der schillernde Anblick der Silberadern im Fels mag im Licht einer kleinen Laterne oder Kerze einen fantasievollen Menschen an eine geheime Geisterkirche aus Silber erinnert haben (vgl. Bild Seite vorher).
Und wer weiß…? Vielleicht ist tatsächlich einmal jemand mit Kostbarkeiten reich beladen vom Berg zurückgekehrt. Denn heute weiß man, dass solche Schatzfindungssagen teilweise tatsächlich stattfanden und es bereits im Mittelalter spezialisierte Schatzsucher gab. Wurden jedoch solche wertvollen Gegenstände, z.B. keltische Münzen, gefunden, wurden sie meist eingeschmolzen, da damals nicht der historische, sondern nur der materielle Wert zählte. Der Wissenschaft gingen die Schätze somit leider verloren.  Ob es am Ochsenkopf tatsächlich einen Schatz zu ergattern gab sei dahingestellt, „der Traum vom unverhofften Glück [aber] war stets präsent und auf keine bestimmte Epoche beschränkt.“

2. Der Johannitag

Ein immer wiederkehrendes Motiv in deutschen Sagen ist der Johannitag. Im Sagenkreis des Ochsenkopfes ist es fast immer anzutreffen.
Um die Herkunft und die Entstehung des Sonnwend- oder Johannitages gibt es mehrere Erklärungen und Deutungen. Lediglich darüber, dass dieses Fest seine Wurzeln in der Zeit der Germanen hat, sind sich Experten einig. Bereits vor über 2000 Jahren feierten die Germanen, die Slaven und die Kelten am 21. Juni das Sonnwend- oder auch Julfest. An diesem Tag hat die Sonne über Mitteleuropa ihren höchsten Stand erreicht, das Jahr hat seinen längsten Tag und die kürzeste Nacht. Die Sonnenstunden nehmen wieder ab und die Nächte werden länger. Die Germanen widmeten dieses Fest der Göttin Frigg (Frigga), der Gattin  des Odin (Wodan), die als Fruchtbarkeitsgöttin vor allem wegen ihrer Menschenfreundlichkeit und ihres „Sonnenglanzes“ verehrt wurde . Schon zu damaliger Zeit wurden anlässlich dieses Festes Feuer entzündet, die auch dem Gott Baldur (Balder, Baldr) gewidmet waren. Baldur war der Sohn Friggs und Gott der Güte, des Gewitters, des Lichtes sowie des Sommers. Das Feuer sollte ihn stärken, da er von einem Mistelzweig, der einzigen „Waffe“, die ihn verletzen konnte, lebensgefährlich getroffen und dadurch von Tag zu Tag schwächer wurde (= Abnehmen der Sonnenstunden, Einkehr der Nacht).
In späterer Zeit war den in Oberfranken und Restdeutschland missionierenden Christen jeder heidnische Feiertag ein Dorn im Auge. Das Winterjulfest, am 25. Dezember, ab welchem die Tage wieder länger werden, wurde von den Christen bereits mit dem heutigen Weihnachtsfest belegt, an dem man die Geburt Jesu, dem „Licht der Welt“, feiert. Laut Bibel (Lukas 1, 26-36) war Johannes der Täufer (Johannes Baptista) ein halbes Jahr älter als Jesus. Im Jahr 506 n. Chr. nutzte die Kirche diese Aussage und bestimmte die Nacht vom 24. auf den 25. Juni als Johannesnacht/Johanninacht und gab so dem heidnischen Fest einen christlichen Inhalt. Die Geburt Johannes des Täufers zu feiern war etwas Besonderes, da unter den Heiligen bisher nur der Geburtstag der Gottesmutter Maria gefeiert wurde. Der Johannitag zählte zwar nicht als Feiertag, doch versuchte die Kirche durchaus einen „Bauernfeiertag“  daraus zu machen, ließ diese Idee jedoch nach kurzzeitigen Versuchen wieder fallen. Obwohl die Kirche die vielen altheidnischen Bräuche zu diesem Fest auf den Johannitag übertrug – noch heute werden bei diesem Kirchenfest Feuer entzündet –  wurde (zumindest in Oberfranken) der christliche Inhalt vom Volk nie wirklich angenommen. Aber auch der germanische Ursprung geriet mit der Zeit immer mehr in Vergessenheit.
Dennoch war dieser Tag schon immer ein besonderer und über die Jahre hinweg entwickelten sich zahllose Geschichten um den Johannitag, auf die sich bis heute viele Bräuche beziehen. So war das Johannifest bis teilweise in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts ein Brauch, der von Kult- und Geistervorstellungen mitbestimmt war.  Die Jultage, die 6 Tage vor und nach dem Johannestag, besonders aber der 24. Juni selbst, galten als „Zaubertage“ und „Zaubernächte“, an denen Heil und Schicksal für das kommende Jahr oder das restliche Leben bestimmt wurden. Sowohl gute als auch böse Mächte und Geister waren aufgrund ihrer „Geisterfreiheit“ besonders aktiv. Insbesondere die Mittags- und Mitternachtszeit bargen magische Kräfte. Im Wasser, in Brunnen und Quellen, aber auch in Kräutern und Pflanzen sollte dann große Heilkraft liegen. So glaubte man, dass z.B. „Ein Trunk am Johannismorgen aus einer klaren Quelle – von niemandem besehen -, Glück brachte fürs ganze Jahr, wenn man vorher "ein heilbringendes Kräuterlein“ in das Wasser geworfen hatte.“  Bekanntester Brauch des Johannitages sind die abendlichen Johannesfeuer, die im Bayreuther Kreis auch Kanzfeuer  genannt werden. Sie haben heute noch große Tradition. Ursprünglich sollten sie reinigend wirken und vor Unheil schützen.
Man sieht, der Johannitag ist ein geheimnisvoller Tag, der schon vor hunderten von Jahren unsere Vorfahren in seinen Bann zog. Die Faszination und Mystik dieses Tages besteht schon seit der Zeit, als noch Germanen in Oberfranken siedelten. So ist es kaum verwunderlich, dass in vielen Sagen – nicht nur im Fichtelgebirge – der Johannitag oft als der Tag gilt, an dem sich eine Sage abspielt oder an dem etwas Besonderes möglich scheint. Im Zusammenhang mit den Ochsenkopfsagen ist dies eben der Zutritt zu den unterirdischen Schatzanlagen. Vergleicht man die Sagen um den Fichtelberg, die am Julfest spielen, miteinander, so fällt auf, dass der alte Volksglaube über die Schicksalsbestimmung an diesem Tage immer vertreten ist und sich der dargestellten Personen Schicksal im Sagenverlauf wendet. Die einen – oft Sonntagskinder – gelangen meist durch Zufall bzw. Schicksal zum edlen Inhalt des Berges. Die, die das Geheimnis vom Gold für sich bewahren, reinen Herzens sind und sich nur zur erlaubten Zeit in den Hallen bewegen, denen blüht eine gute Zukunft in Reichtum und fern von Not. Die Habgierigen, die vor lauter Glanz und Raffsucht ihr Kind im Berge oder schlichtweg die Zeit vergessen, werden bestraft und gehen bestenfalls leer aus. Oft bleiben sie auch ein Jahr oder länger im Berg verschollen oder haben schlimmstenfalls Pech und Unglück für den Rest ihrer Tage.
Zur Entstehung dieses Schicksalsmotivs in Verbindung mit der Schatzbergung sei weiterhin erklärt, dass das Leben im Fichtelgebirge zur Zeit des Lehnswesens kein einfaches war und somit der Wunsch nach Erleichterung der Arbeit und des Lebens ständig vorhanden war. Dieser Wunsch schlug sich in den Sagen nieder. Ein armer Mensch sollte vom Schicksal nicht im Stich gelassen werden und es setzte sich der Glaube nach einer Art ausgleichender Gerechtigkeit fest. Für jeden bestand somit Hoffnung auf eine Besserung der Lebensumstände. Eine Extremform dieser Haltung ist das Cargo-Denken, dass man in der Ethnologie findet. „Manche Naturvölker haben sich so gewöhnt an das Auftauchen eines […] Schiffes oder Flugzeugs mit schöner und erwünschter Ladung (=Cargo), daß die Hoffnung auf ein solches Cargo geradezu zum Religionsbestandteil wurde, wenn nicht zum Religionsersatz.“  Der moderne Mensch heute träumt im Vergleich dazu beispielsweise von einem Gewinn in der Lotterie. Diesen Sagentypus mit dem Schatzmotiv findet man nahezu überall in Oberfranken und Deutschland.

3. Die Zauberblume

In den Sagen des Ochsenkopfes heißt es immer wieder von einer Zauberblume, die nur am Johannitag wächst und ohne die der Eintritt in die verborgenen Schatzwelten verwehrt bleibt.
Den Beschreibungen zufolge handelt es sich bei der genannten Pflanze um Bergwohlverleih, welches auch unter dem Namen Arnika (Arnica montana) bekannt ist. Bergwohlverleih war einst eine typische Pflanze des Fichtelgebirges. Sie ist ein Korbblütler und wird 30-60 cm hoch. An ihren langen Stängeln, häufig mit Verzweigungen, sitzen bis zu 6 gelbe Blüten, die mit ihren spitz zulaufenden langen Blättern an eine Sonne erinnern. Die Arnika blüht zwischen Juni und August, also auch am Johannestag, weshalb der Name Johannisblume oder Kanzblume (in Oberfranken) weit verbreitet ist.
Im Volk kam der Johannisblume ab dem 16. Jahrhundert große Bedeutung zu, als man ihre Heilwirkung entdeckte. Damals wie heute wirken die Inhaltstoffe der Pflanze krampflösend und schmerzlindernd, weshalb eine Tinktur aus frischen Blüten zusammen mit Weingeist bei Quetschungen, Stoßverletzungen und langsam heilenden Wunden eingesetzt wird. Auch der Dichter und Naturwissenschaftler Johann Wolfgang von Goethe wusste um die Kraft der Pflanze und beschrieb die anregende Wirkung von Arnika-Herztropfen.
Viele Johannisbräuche taten sich mit den Jahren um diese Blume auf. Sie galt als Schutzpflanze und wurde daher zur Sommersonnenwende z.B. auf die Dachböden gelegt, um die Häuser vor Blitz und Hagel zu schützen. Auch Zauber sollte sie abwehren, weshalb noch heute manche Bauern im Fichtelgebirge am Johannitag ihre Getreidefelder mit Bergwohlverleih abstecken, um sie vor dem Dämon „Bilmeschneider“ (Bilmes, Pilmes) zu schützen, der sonst nachts mit Sicheln an den Beinen über das Feld laufen und somit die Ernte zerstören würde.  Natürlich gilt dies heute nur noch als Brauch, weniger als Glaube.
Wie wurde nun gerade die Arnika zur sagenumwobenen Zauberblume? Während diese Pflanze heute unter Naturschutz steht und nicht mehr häufig zu finden ist, war sie noch Anfang des 20. Jahrhunderts keine Seltenheit. Man kann daher ausschließen, dass dieses Motiv auf die Rarität der Blume zurückzuführen ist. Vielmehr ist die Bedeutung der Arnika für das Volk Auslöser genug, dass sich diese Pflanze in den Sagen festsetzte. Es lässt sich aber auch ein Bezug der Zauberpflanze zur Romantik finden. Denn ein Leitmotiv dieser naturverbundenen Epoche ist die „blaue Blume“, die Novalis in seinem „Heinrich von Ofterdingen“ erstmals nannte. Die blaue Blume symbolisiert für die Romantiker etwas, was schwierig zu erreichen ist, eine Sehnsucht, die man nicht aussprechen kann und die rational nicht verständlich ist. In den Sagen um die Zauberblume ist es durch sie möglich, zu Reichtum und Glück zu gelangen und die schwierigen Lebensverhältnisse zu verbessern, also auch eine Sehnsucht. Ein gutes Beispiel, um diesen Wunsch zu verdeutlichen bietet die erste Strophe des Gedichtes „Die blaue Blume“ von Joseph von Eichendorff:

„Ich suche die blaue Blume,
Ich suche und finde sie nie,
Mir träumt, daß in der Blume
Mein gutes Glück mir blüh.
…“

Man weiß letztendlich nicht, wie lange die Zauberblume in den Sagen schon existiert. In den von mir gelesenen Sagen ist nur eine, die vom Schatz im Berg handelt, mit einer Jahreszahl versehen. Ein gewisser Pachelbel schrieb 1716, also vor der Romantik, die Sage von der Ochsenkopfkirche auf. Er verwendete dabei nicht das Motiv der Zauberblume, die als Schlüssel benötigt wird. Im „Oberfränkischen Sagenschatz“ findet sich auch die Sage von der Wunderblume. Anhand der edler wirkenden Wortwahl lässt sich vermuten, dass diese Sage zu einem späteren Zeitpunkt für eine Sagensammlung niedergeschrieben wurde, etwa im 19. Jahrhundert. Dies unterstützt (beweist aber nicht!) die Theorie, dass das Blumenmotiv beim Sammeln der Sagen von den Romantikern hinzugedichtet wurde.

4. Die schlafenden Könige vom Ochsenkopf

Den Sagen nach beherbergt der Ochsenkopf nicht nur die unterirdische Kirche oder die reich gefüllten Schatzhallen. Auch ein König soll samt seines Heeres im Berge ruhen. Bewacht wird der König von Hunden und in gewissen Abständen gibt ihm ein Vogel oder ein Knecht Kunde von den Geschehnissen in der restlichen Welt. Ist des Königs Bart dann bestimmte Male oft um einen vor dem Throne stehenden Steintisch herum gewachsen, so erwachen König und Krieger, um die letzte Schlacht zu bestreiten (als deren Kontrahent in einer einzigen Ausführung der Antichrist, also Satan, genannt ist ).
Im Sagenkreis des Ochsenkopfes tauchen mehrere Versionen dieser Sage auf, die sich aber nur unwesentlich voneinander unterscheiden. Meist ist die Rede von Kaiser Karl dem Großen, der im 8. und 9. Jahrhundert n. Chr. als König des Frankenreiches für die Verbreitung des Christentums gen Osten gesorgt hatte. Laut einer zweiten, stark verbreiteten Version soll es der weise König Salomo gewesen sein, dessen Sarg von einem 6-spännigen Ochsenkarren führerlos ziehen gelassen wurde, um eine Grabesstätte für den König zu suchen und auf diese Weise bis ins Fichtelgebirge in den Ochsenkopf gelangte.  Die Sagen sind sich sehr ähnlich und teilweise sind nur die Namen der Könige vertauscht. Es sind noch zwei weitere weniger bekannte Versionen verzeichnet, in denen Prinz Karl und ein anderes mal Friedrich Barbarossa als schlafende Herrscher notiert sind. Doch auch die beiden bekannteren Sagenausführungen sind in den Orten in unmittelbarer Nähe des Ochsenkopfes unterschiedlich bekannt, wie eine Nachforschung von Josef Babo im Jahre 1939 belegte.
Tabelle:

 

 

Neubau

Warmensteinach

Oberwarmensteinach

Bischofsgrün

Kaiser Karl

0,00%    

85,68 %

26,10 %

0,00 %

König Salomo

36,63 %

0,00 %

8,70 %

50,00 %

 

Man sieht, dass der Bekanntheitsgrad der verschiedenen Königssagen in einem kleinen Gebiet sehr unterschiedlich ist, was die Karte verdeutlicht.
Während die Sagen von der Kirche im Berg oder über die Namensgebung des Berges in selbigen Orten mit rund 70 % bzw. 61 % recht stark und gleichmäßig bekannt sind, kennen nur 51,78 % die Königssagen.  Dies deutet darauf hin, dass es sich bei diesen Erzählungen um Wandersagen handelt, d.h. Sagen, die nicht nur in einer Region beheimatet sind.  Bestätigt wird diese Theorie durch das Antreffen des gleichen Motivs in anderen Regionen des germanischen Raumes. So soll im Berg Kyffhäuser im Harz Friedrich II. (in späteren Erzählungen Friedrich I. Barbarossa) schlafen, während Karl der Große angeblich auch im österreichischen Untersberg bei Salzburg liegt. Will man eine Erklärung für das Motiv der Könige im Berg finden, so muss man bis in die Zeit der Christianisierung Germaniens zurückforschen. Denn bei der Verdrängung der germanischen Religion durch das Christentum versetzte das Volk seine Götter gedanklich in das Innere der Berge, auf denen sie ihnen sonst Opfergaben bereiteten. Denn nach germanischem Glauben lebten die Toten, aber auch die abgesetzten Götter, in den Bergen weiter.  In der Vorstellung der christianisierten Germanen musste nun der höchste Gott der Asen, Odin oder Wodan, im Himmel Platz für den christlichen Gott schaffen. So lebte er für das Volk im Berg weiter, „in der festen Hoffnung, daß er eines Tages aus seinem neuen Reich zum letzten Streit wiederkehren würde.“  Mit der Zeit verbreitete sich das Christentum mehr und mehr und im Volk war kein Misstrauen mehr gegen die ehemals fremde Religion. So geschah es, dass die Sagen über den alten germanischen Göttervater auf mächtige, christliche Könige umgedichtet wurden, welche genau wie Wodan, „die Welt in ihren Händen hielten.“  Aus den Forschungsergebnissen von Josef Babo ist auch zu entnehmen, dass die Sagen-Version des Kaisers Karl (27,95%) in der Region verbreiteter ist als die des Königs Salomo (23,85%). Warum also liegt der Sage nach gerade Karl der Große im Ochsenkopf, obwohl er doch bekanntermaßen nach seinem Tode im Jahr 814 n. Chr. in der Aachener Pfalzkapelle beigesetzt wurde? Hierfür findet sich eine historische Erklärung: Wie die Altstraßenforschung herausfand, führte Karls Slawenfeldzug in den Jahren 805 bis 806 auch durch das Fichtelgebirge, als durch den Sieg gegen die Böhmen die fränkische Einflussnahme im Osten des fränkischen Reiches vergrößert wurde.
Auch die Wahrscheinlichkeit, König Salomo tatsächlich im Ochsenkopf zu finden, ist wohl aufgrund der Entfernung Israel-Judäas zum Ochsenkopf eher unwahrscheinlich. Schließlich wurde Salomo laut der Sage von einem Ochsenkarren gezogen. Genauso unrealistisch scheint, dass die Grabstätte Barbarossas in Oberfranken ist. Friedrich I. ertrank nämlich 1190 n. Chr. im Fluss Saleph (heute Göksu) in der Türkei. Folglich kann man davon ausgehen, dass sich der Wahrheitsgehalt der Ochsenkopfsagen in Bezug auf das Motiv des Königs im Berg äußerst gering hält. Es handelt sich hierbei also nicht um Memorate, d.h. Sagen, die tatsächliche historische Ereignisse beschreiben. Dass solche Memorate mit Grabes- oder anderen Ortsangaben jedoch nicht an den Haaren herbeigezogener Humbug sein müssen, zeigen z.B. die Ausgrabung der Stadt Troja und die Skelettfunde in der Jungfernhöhle bei Tiefenellern bei Bamberg, die aufgrund von Sagenbeschreibungen durchgeführt wurden.  Das Erscheinen Karl des Großen im Fichtelgebirge im Zusammenhang mit dem Slawenfeldzug bleibt also die bisher einzige belegbare Herkunft des Königsmotivs. Scheinbar hat also dieser mächtige König bei seinem Auftauchen im Fichtelgebirge einen so faszinierenden Eindruck hinterlassen, dass die anderen Sagenvariationen erst im Laufe der Zeit ihren Weg zum Ochsenkopf fanden. Auch im Staatsgebiet des heutigen Frankreichs sind einige Sagen und Epen über Karl den Großen, die so genannten Karlssagen, bekannt.

Mit den Jahren vermischten sich allem Anschein nach die ortsansässigen Sagen von der Kirche im Berg mit den Königssagen und so wurde die Sage umgedichtet, so dass nun König Salomo in der Kirche liegen soll. Ein befremdendes Geräusch, das ein einfacher Mann vielleicht in einem der Bergwerke gehört haben mag, verlieh der Sage des schlafenden Salomos möglicherweise „das tiefe Atmen des Königs hinterm Altar“ . Auch die Sagen vom Schmied im Ochsenkopf, welcher eine  Vielzahl Rosse beschlagen soll und vom geheimnisvollen Schloss am Ochsenkopf, lassen Rückschlüsse auf ein Heer im Berg zu. Im Erfinden dieser Geschichte oder in einem Traum, der aufgrund damaliger Naivität als Realität gedeutet wurde liegt vielleicht das Wunschdenken der Fichtelgebirgler, dass ihrer ruhigen und ländlichen Gegend etwas Besonderes zu Teil wird. Vielleicht suchte man mehr oder weniger unbewusst nach einer Bestätigung für den mächtigen Mann im Berge, der eines Tages wieder Glanz und Ruhm verbreiten würde.

C. Eigener Kommentar über Sagen

Im Laufe meiner Recherchen habe ich in den vergangenen Monaten zahlreiche Sagen aus Bayreuth und Oberfranken kennen gelernt. Ich war erstaunt, wie groß und artenreich der oberfränkische Sagenkreis ist. Speziell aber von den Ochsenkopfsagen geht ein gewisser Reiz aus, weswegen ich mich für dieses Facharbeitsthema entschlossen habe.
Der Ochsenkopf bietet  eine ungeheure Sagenvielfalt, so dass es im Rahmen der Facharbeit nur möglich ist, eine Auswahl der bekanntesten und häufigsten Sagenmotive zu untersuchen. Die Sagen von der wilden Jagd, der Trauung im Berg, den Feilenhauern und den Moosweiblein sind ein paar der Erzählungen, die einfach nicht mehr unterzubringen waren.
Es ist faszinierend zu sehen, welch geheimnisvolle Wirkung dieser Berg auf die frühere Bevölkerung des Fichtelgebirges ausübte. Heute, da der Berg durch Wege und Seilbahnen schnell erklommen werden kann – der Ochsenkopf galt früher als äußerst unwegsam – hat er natürlich an Rätselhaftigkeit und Mystik verloren. Die Begeisterung für diesem Berg aber ist bei vielen dennoch ungebrochen und in der Region finden sich zahlreiche Heimatforscher und        -interessierte, die Bücher und Artikel über den Ochsenkopf verfassen; allen voran Gustav Schmidt. Und auch der Bischofsgrüner Max Braun wollte nicht aufgeben, das verschollene dritte Ochsenkopfbildnis zu suchen. Im Oktober 2003 bekam er den Lohn für seine lange Suche und entdeckte die verschwundene Granitsäule.
Es hat mir Spaß gemacht, den Berg selbst zu besuchen, um sich von den sagenumwobenen Örtlichkeiten ein eigenes Bild zu machen und sich durch Bücher und Magazine zu arbeiten, um den Sagen auf den Grund zu kommen. Abschließend möchte ich noch mitteilen, dass es ein schwieriges – vielleicht sogar unmögliches – Unterfangen ist, Sagen in irgendeiner Weise beweisen zu wollen. Dennoch ist man immer wieder überrascht, wenn man Verknüpfungen und Parallelen zwischen historischen Ereignissen und Sagen finden kann. Sagen, heißt es, enthalten immer ein Fünkchen Wahrheit – Ein Fünkchen, dass ein Feuer der Begeisterung entfachen kann.
I.      D. Foto-Anhang

 

Das Wahrzeichen des Ochsenkopfes befindet sich ca. 200m nordwestlich des Asenturmes in einer Felsgruppe. Im Hintergrund ist rechts Bischofsgrün zu erkennen.

Blick von Norden auf das Schneeloch (eingezäunt), das als der sagenumwobene Eingang in den Berg gilt. Es war früher ein Stolleneingang, der heute verschüttet ist. Das Ochsenkopf-Wahrzeichen befindet sich auf der im Hintergrund befindlichen Felsgruppe.

 

Blick von oben auf das Schneeloch (Blickrichtung nordwestlich), links die Felsgruppe.

Im Oktober 2003 entdeckte Max Braun die lange Zeit verschollene Steinsäule, mit dem Ochsenkopfbildnis, unterhalb des Gipfels. Das Bild wurde mit Eisenfarbe nachgezeichnet und die Säule wieder aufgerichtet.

Der Asenturm wurde (in dieser Granitbauweise) 1922/23 erbaut. Er ist der ältere der beiden Ochsenkopftürme und markiert zugleich den Gipfel. Der Asenturm wurde als Aussichtsplattform gebaut und ist bewirtet. Den Namen trägt er vom germanischen Göttergeschlecht der Asen.

In der Eingangshalle des Asenturmes sind auf zwei Granittafeln berühmte Ochsenkopf-Besucher und die Personen verzeichnet, die sich um den Berg verdient gemacht haben.  An zweiter Stelle ist hier Caspar Brusch(ius) verzeichnet, danach folgt der Creußener Pfarrer, M.J. Will. Pachelbel, der die Sage von der Ochsenkopfkirche aufschrieb steht an fünfter Stelle.
Auch Johann Paul Friedrich Richter, alias Jean Paul, besuchte den Fichtelberg

Der Funkturm des Bayerischen Rundfunks prägt das Erscheinungsbild des Ochsenkopfes. Er misst 176,5 Meter und steht auf einer Höhe von 1013 Meter üNN. Der Turm ist am Fundament 22 m breit, an der Spitze nur 2 Meter. Diese schwankt bei starkem Wind bis zu 1,5 Meter aus.

Blick über Bischofsgrün auf den Ochsenkopf

 

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G. Fußnotenerklärung

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