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Der Buchbrunnen im Dreiländereck

von Dietmar Herrmann

Topografie

Das Brunnenhäuschen des Buchbrunnens (Abbildung 1) steht genau auf der Landesgrenze Bundesrepublik Deutschland/Tschechische Republik, im Grenzabschnitt III 5 zwischen dem Grenzübergang Schirnding und Neualbenreuth. Es liegt am Südwestabfall des Oberkunreuther Berges, dessen höchste Erhebung mit 656 m ü.NN auf tschechischem Hoheitsgebiet liegt. Der Buchbrunnen liegt in den Bayerischen Staatsforsten im Kohlwald, zuständig ist nach der Forstverwaltungsreform vom 1. Juli 2005 der Forstbetrieb Waldsassen.
Zu Fuß erreicht der Wanderer die Anlage von Seedorf (Marktgemeinde Schirnding) aus, wenn er dem weiß-blau markierten Wanderweg in nordöstlicher Richtung folgt. Bei Einmündung in den Ostweg (rotes Feld, weißes O) dann eine kurze Wegstrecke nach Osten bis zum Zaun der Wasserschutzzone, an diesem entlang wenige Meter zum Buchbrunnen. Die gesamte Wegstrecke von Seedorf zum Brunnenhäuschen beträgt etwa 1,6 km. Zu beachten ist, das man sich dann unmittelbar im Grenzbereich befindet, dort aber kein offizieller Grenzübergang besteht.

Dreiländereck

Die Umgebung des Buchbrunnens kann als Dreiländereck bezeichnet werden, da hier einst drei politisch selbständige Herrschaftsgebiete zusammenkamen. In einem Protokoll aus dem 17. Jahrhundert steht folgendes geschrieben: „Aus dem Buch-Brunnen in Kohlwald entspringet das Buchbachlein, und scheidet solcher Bronnen drey Reynungen, Brandenburg, die Chur Pfaltz gegen Waldsassen und Eger“.
Zur Abmarkung einer Grenze dienten früher natürliche Gegebenheiten im Gelände wie Quellen, Bäche oder größere Felsen. Waren diese nicht vorhanden, legte man künstliche Marken an, z.B. Steinwälle, Erdvertiefungen (Raingräben, Schlegelgruben) oder einen künstlich aufgeworfenen Erdhügel (Schurf). Einzelstehende, markante Bäume erhielten eingehauene Kreuze (Rainfichten, Rainbuchen), besonders hervorragende Steine erhielten ein Kreuz eingemeißelt. Ab dem 18. Jahrhundert wurden Grenzsteine gesetzt, oftmals auch mit Wappen versehen. Im Grenzverlauf zwischen dem Ameisenbühl bei Schirnding und dem Buchbrunnen standen nach alter Überlieferung sieben Steine, die mit dem brandenburgischem und dem egerischem Wappen verziert waren und die Jahreszahl 1562 trugen. Der Buchbrunnen wurde mit seiner Quelle und mit seinem kleinen Wasserlauf („Buchbächlein“) in den Grenzverlauf einbezogen.

Landesgrenze zu Böhmen/Tschechien

Beim Buchbrunnen steht der Grenzstein mit der Abschnittsnummer III 5 (Abbildung 2). Der wuchtige Stein, in dem die Jahreszahl 1844 eingemeißelt wurde, ist zwar ein historischer Grenzstein, zeigt aber dennoch den heutigen Grenzverlauf an und hat weiterhin Gültigkeit, wie es in den „Technischen Richtlinien für Verbesserungs- und Vermarkungsarbeiten an der Staatsgrenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik 1983“ vermerkt ist. Eingemeißelt sind die Buchstaben D B für „Deutschland Bayern“, auf der gegenüberliegenden Seite C S, wobei das S unleserlich ist. Die Initialen C S bedeuten „Cesko-Slovenska“. Der obere Teil der Breitseite wurde teilweise weggemeißelt und die neuen Initialen angebracht. Er enthielt vordem die einfache Aufschrift K:Böhmen und K:Bayern (K=Königreich). Nach dem Ersten Weltkrieg mussten diese Initialen weichen, da sie den politischen Verhältnissen nicht mehr entsprachen, die Jahreszahl wurde belassen.
Die Initialen am Grenzstein befinden sich auf der Seite, die dem jeweiligen Staat zugewendet ist. Der deutsche Grenzgänger soll demnach immer nur das D B sehen, sieht er das C, befindet er sich auf tschechischem Hoheitsgebiet.

Historische Grenze Markgrafschaft/Preußen - Oberpfalz/Bayern

Beim Buchbrunnen begann im 15. Jahrhundert eine weitere „Staatsgrenze“, die in südwestlicher Richtung verlief und die bis zum Jahr 1810 Gültigkeit hatte, nun Grenze der Regierungsbezirke von Oberfranken/Oberpfalz ist. Sie war zunächst Grenze zwischen der Burggrafschaft ob dem Gebirg/Markgrafschaft Brandenburg-Kulmbach-Bayreuth und dem Stiftland des Klosters Waldsassen, dem Fürstentum Obere Pfalz und schließlich Bayern. Von 1791 bis 1806 waren hier Preußen und Bayern territoriale Nachbarn, wobei es schon seit Jahrhunderten zu ständigen „Grenzirrungen“ und Grenzbegehungen kam. In einem Grenzvertrag vom 30. Juni 1803 wurde durch beide Länder der Grenzverlauf festgelegt und durch wuchtige Grenzsteine neu abgemarkt. Die Grenzsteine (Abbildung 4) , die ab dem Buchbrunnen bis in den Raum von Groschlattengrün gesetzt wurden, sind teilweise noch vorhanden und tragen verschiedene Einmeißelungen. Auf der „preußischen Seite“ sehen wir die Buchstaben „P.r.“ (=Preußen), auf der „bayerischen Seite“ die Buchstaben „P.B.“ (= Pfalz-Bayern), auf der Schmalseite des Steines die fortlaufende Nummer. Aus historischen Gründen wäre es unbedingt erforderlich, in der Landschaft die Standorte der noch vorhandenen „Preußensteine“, wie sie im Volksmund genannt werden, festzustellen. An einem Eintrag in die Topografische Karte 1:25.000 ist das Bayerische Landesvermessungsamt interessiert.

Übrigens: ab dem Jahr 1810 verlor die preußisch-bayerische Grenze ihre Bedeutung als Staatsgrenze. Die preußische Provinz und ab 1806 französisch besetzte Markgrafschaft Bayreuth ging an das Königreich Bayern über. Aus der einstigen Staatsgrenze wurde dann eine Regierungsbezirksgrenze, die allerdings in manchen Abschnitten nicht immer genau auf der preußisch-bayerischen Vorgängerin verläuft. Auch deshalb wäre die Suche nach den „Preußensteinen“ dringend erforderlich.

Trinkwasser für die Stadt Eger

Als zwischen 1890 und 1910 die Einwohnerzahl der Stadt Eger stark anwuchs, sah sich der Stadtmagistrat gezwungen, nach neuen Trinkwasserquellen - nicht nur auf tschechischem Gebiet - zu suchen. Die bayerische Forstverwaltung kam zu Hilfe und erwarb in oberpfälzischen Fluren der damaligen Gemeinden Münchenreuth und Pechtnersreuth (Landkreis Tirschenreuth) sechs Quellen. Das Königreich Bayern übereignete diese dann der Stadt Eger. Hintergrund des „grenzüberschreitenden Wassertausches“: die Städte Waldsassen und Tirschenreuth erhielten bisher schon Trinkwasser aus dem egerischen Gebiet des Tillenberges. So wurden auf oberpfälzer Seite sechs Quellen gefasst, das Wasser in Rohrleitungen in Richtung Buchbrunnen transportiert, wo vorher weitere Quellen eingespeist wurden. Von hier aus floss das bayerische Trinkwasser grenzüberschreitend weiter bis nach Eger. Im Mai 1912 konnte die 14 km lange Anlage in Betrieb genommen werden.
Formalrechtlich ermöglicht wurde das Projekt durch einen Bescheid des Königlichen Bezirksamtes Tirschenreuth vom 8. Juli 1911. Durch die Fassung der Quellen und den dadurch eingetretenen Wasserentzug der Feisnitz wurden allerdings einige Triebwerkbesitzer, die die Wasserkraft dieses Bachlaufs nutzten, geschädigt. Die Triebwerkbesitzer der Heiligenfurtermühle, Brandmühle, Dollermühle, Siglmühle, Lippertsmühle und Grünmühle erhielten von der Stadt Eger wegen des Entzugs von acht Sekundenlitern eine einmalige Entschädigung von 530 bis 1510 Mark. Eine gütliche Einigung erfolgte auch mit verschiedenen Grundeigentümern, die sich im Fischereirecht oder bei der Wiesenwässerung beeinträchtigt sahen. Sie erhielten eine einmalige Entschädigung zwischen 20 und 150 Mark.
Das Buchbrunnenhäuschen steht genau auf Quellstube des Buchbrunnens und sein Bau wurde damals durch die bayerische Forstverwaltung gefordert. Über dem Eingang des gemauerten Häuschens steht der Name „BUCHBRUNN“. Links davon (Abbildung 4), auf deutscher Seite des Gebäudes, sehen wir das Wappen des Königreichs Bayerns (Rautenschild mit Königskrone). Rechts neben der Inschrift, auf tschechischem Territorium, ist das Wappen der Stadt Eger eingelassen (Schräggitter, darüber ein nach rechts blickender Reichsadler). Im Gebäude ist ein Wasserhahn (Abbildung 5), auch heute noch kann dort der Wanderer bestes Trinkwasser genießen!

Literatur
Hofmann, Erwin: Zwischen Bayern und Böhmen (Regensburg 1996)
Singer, Friedrich Wilhelm: Die Freistatt I (1985) und III (1986)
Zeidler, Kurt: Erweiterung der Egerer Wasserleitung 1912. In: Egerer Zeitung, Feber 1992, S. 24-26
Wasserversorgung der Stadt Eger: Beschluss des Kgl. Bezirksamtes Tirschenreuth vom 8. Juli 1911, Nr. 5464 (FGV-Bibliothek, Akt Gewässerkunde. Für die Überlassung danke ich Herrn Walter Rädel von der VG Schirnding)

Karten
Bayerisches Landesvermessungsamt: UK 50-13 Naturpark Fichtelgebirge – östlicher Teil, Maßstab 1:50.000 (mit Wanderwegen)

Weblinks
www.bayern-fichtelgebirge.de, Link Gewässerkunde

Fotonachweis:
Digitales Bildarchiv Dietmar Herrmann, Hofer Straße 36, 95632 Wunsiedel

 


Der Buchbrunnen


Grenzstein von 1844


Grenzstein "Preußensteine"


Grenzstein "Preußensteine" 


Grenzstein "Preußensteine" 


Wappen am Buchbrunnenhäuschen


Wappen am Buchbrunnenhäuschen 


Wasserentnahmestelle am Buchbrunnenhäuschen

 

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